Die Pforten des Todes - Historischer Kriminalroman
Nichts Besonderes weiter.«
»Und ihre Familie wollte nicht, dass du sie heiratest?«, fragte Fidelma. »Zumindest klang es in deinem Lied so an.«
»Das ist richtig. Ich gehöre nämlich zur Klasse der daerfuidir .«
Erstaunt zog Fidelma eine Augenbraue hoch.
In allen fünf Königreichen zählten die daer-fuidir zu der niedrigsten Klasse im Gesellschaftsgefüge. Meist waren es Verbrecher, die keine Wiedergutmachung zahlen konnten, oder fremdländische Gefangene aus Kriegshandlungen. Zeigte ein daer-fuidir Reue und Fleiß, konnte er zum Rang eines saer-fuidir aufsteigen. Das bedeutete, dass er vom Gemeingut des Clans Land zugewiesen bekam, das er bearbeitendurfte, und das wiederum versetzte ihn in die Lage, abzuzahlen, was er der Gemeinschaft schuldete. Manche schafften es sogar, sich so viel zusammenzusparen und Anerkennung zu erwerben, dass sie es zu einem Clansmitglied, einem céile , mit allen dazugehörigen Rechten brachten.
»Wie ist es dazu gekommen?«, forschte Fidelma.
»Wie ich ein daer-fuidir geworden bin? Ich wurde während einer Schlacht gefangen genommen. Man hatte meinen Clan beschuldigt, Vieh gestohlen zu haben. Aber das war eine Lüge, eine ungerechtfertigte Beschuldigung. Der mächtige Stammesfürst hasste meine Familie, weil die einst genauso mächtig gewesen war wie die seine. Und so wollte er uns am Boden zerstören. Wir kämpften um unsere Ehre, und ich geriet in Gefangenschaft. Wir waren Sklaven auf seiner Festung.«
»Und du hattest keine Möglichkeit, dich hochzuarbeiten und dich aus deiner Klasse zu befreien?«
Torna schüttelte den Kopf. »Nicht die geringste. Ich wurde zu Schwerstarbeit verdammt, musste für den teuflischen Despoten Befestigungsanlagen bauen. Und dabei lernte ich … lernte ich das Mädchen kennen. Ich wandte mich an einen Mitgefangenen, einen früheren Brehon. Ich dachte, ich könnte ihm vertrauen, schließlich hatte er mal einen Eid auf Wahrheit und Gerechtigkeit geleistet. Ich bat ihn um Rat, doch er hatte nichts Eiligeres zu tun, als alles dem Vater des Mädchens zu erzählen und erschlich sich so Vergünstigungen.« Torna verstummte und machte eine hilflose Bewegung.
»Und was hast du dann getan?«, wollte Fidelma wissen.
»Was blieb mir schon übrig? Ich war zum Bau von Kellergewölben für die Burg eingeteilt und wusste, wie mandurch einen unterirdischen Gang nach draußen kommt. In der Dunkelheit der Nacht flohen wir. Eine ganze Weile jagte man hinter uns her, doch wir brachten es zuwege, unseren Verfolgern zu entkommen.«
»Und dann erwischten sie euch doch?«
»Wir kamen an einen reißenden Strom, und der wurde uns zum Verhängnis. Sie holten uns ein. Es war eine stürmische Nacht, und was dann geschah, werde ich mir nie verzeihen. Ich war der Meinung, wir sollten versuchen, den Fluss zu durchqueren. Hätten wir erst mal das andere Ufer erreicht, würden wir die Verfolger abschütteln. Mein Herzlieb vertraute mir. Sie legte ihr Leben in meine Hände, aber ich habe versagt.«
»Ihr habt versucht, auf die andere Seite des Flusses zu kommen?«
»Ich bin ein guter Schwimmer. Sie sollte sich an mir festhalten. Wir waren schon fast drüben, da verließ sie die Kraft. Ich hörte sie nur noch aufschreien. Die strudelnde Strömung riss sie davon.« Kurz versagte ihm die Stimme. Dann fasste er sich wieder. »Ich versuchte verzweifelt, sie zu finden, fast hätte es mich selbst in die Tiefe gezogen. Mit Müh und Not schaffte ich es ans Ufer. Mehr tot als lebendig zerrten mich Leute an Land. Sie brachten mich wieder auf die Beine. Etliche Zeit später wurde ihre Leiche angespült.«
»Und seitdem?«
Er sah verbittert vor sich hin. »Seitdem ziehe ich als Barde umher, singe meine Lieder, erzähle meine Geschichten und hoffe, dass …« Er sprach nicht weiter.
»Und hoffst worauf?«, half Fidelma nach.
»Ich weiß es selbst nicht«, gestand er. »Wenn ich es wüsste, wäre das Leben einfacher.«
»Bist du jemals zu deinen Eltern, deiner Familie, deinem Clan zurückgekehrt?«
»Das geht nicht«, brach es aus ihm heraus. »Solange der despotische Herrscher, der mich gefangen genommen hatte, am Leben ist, bleiben sie für mich tot und unerreichbar. Die wenigen Überlebenden meines Clans müssen ihm Tribut zollen. Bei ihnen kann ich keine Zuflucht finden, er würde sofort seine Krieger schicken und sie noch härter bestrafen. Also wandere ich umher und nähre mich von der Hoffnung, dass der eine oder andere meine traurigen Melodien hören will und mich dafür
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