Die Philosophen der Rundwelt
Geschichten zu haben, denen sie Bedeutung für dein Leben geben können, wie »Dein Leben steht in deiner Hand geschrieben« oder »Die Toten reden mit mir, und sie wissen alles«. Also können Menschen mit dieser Neigung dich mit ein bisschen Flunkerei überzeugen, dass sie deine Zukunft kennen, und sie können überzeugende große Geschichten produzieren, die du als dein Schicksal deutest.
In unserer Haltung zum persönlichen freien Willen existiert ein tiefes Paradoxon. Wir möchten wissen, wie die Zukunft sein wird, um eine freie Entscheidung treffen zu können, die uns vor ihr schützt. Also stellen wir uns die Zukunft von allem außer uns als determiniert vor, weshalb die Zigeunerin oder das Medium oder der Tote wissen kann, was sein wird. In Bezug auf unsere eigene Zukunft stellen wir uns jedoch vor, dass freie Wahlmöglichkeiten zu ihr gehören. Unser freier Wille lässt uns entscheiden, dass wir die Zigeunerin konsultieren wollen, die uns dann überzeugt, dass wir keine Wahl haben: dass beispielsweise die Lebenslinie auf unserer Hand festlegt, wann wir sterben. Also verraten unsere Handlungen einen tief gegründeten Glauben, dass die Gesetze des Universums für alles außer uns gelten.
Das größte En-gros-Geschäft, das von unseren Überzeugungen und Verwirrungen in Bezug auf den freien Willen in einem mächtigen und oft grausamen Universum lebt, ist die Astrologie. Astrologen berufen sich auf das Alte Ägypten, auf Paracelsus und Dee, auf Uralte Weisheit aller Art einschließlich der indischen Veden und anderer östlicher Literatur. Betrachten wir die Anziehungskraft der Astrologie im Licht des Narrativiums.
Astrologen haben eine ungeheuer zahlreiche Anhängerschaft und bringen es fertig, sich sowohl der Stammes- als auch der barbarischen Geschichten zu bedienen. Sie verfügen über die gegen-wissenschaftliche Geschichte für die zivilisierte Kultur, die sowohl die stammesgesellschaftlichen als auch die barbarischen Aspekte unserer Dummheit anzuziehen vermag. Sie glauben wirklich, die Zukunft eines jeden von uns sei vom Zeitpunkt unserer Geburt vorbestimmt.* [* Wieso die Geburt , der reinste Zufall in unserer ganzen Entwicklung? Warum nicht die Befruchtung? Oder das Austreten aus der zona pellucida , der Eimembrane? Oder der erste Herzschlag? Oder der erste Traum (noch in der Gebärmutter)? Oder das erste Wort oder die erste fleischliche Erfahrung? Es gibt tatsächlich Aspekte unserer Zukunft, die zumindest vom Geburtsdatum bestimmt werden (wir können das jüngste oder das älteste Kind im Einschulungsjahrgang sein, und das kann einen großen Unterschied ausmachen), doch wir sprechen hier nicht von diesen menschengemachten Dingen.] Sie bestimmen ihn auf die Sekunde genau.
Wichtig scheint für sie zu sein, vor welchem Sternenhintergrund (dem Tierkreis) wir die Planeten unseres Sonnensystems sehen. Wenn wir vom Leben in der Gebärmutter in die Hände der Hebamme, des Arztes, des Lebenspartners übergehen, wird unser Leben fortan von astralen Kräften bestimmt. Dieser seltsame Glaube wird von so vielen Menschen geteilt, die in der Tageszeitung zuerst die Seite mit dem Horoskop aufschlagen, dass wir eine Erklärung in unserem Rahmen der »Geschichten« sichern sollten. Wie lautet die Geschichte von unserer Zukunft, die der Beherrschung unseres Lebens durch die Positionen der Sterne innewohnt? Im Gegensatz, sagen wir, zu dem medizinischen Personal, das zum Zeitpunkt unserer Geburt wahrscheinlich einen stärkeren Gravitationseinfluss auf uns ausübte als der Planet Jupiter?* [* Die Anziehungskraft, die ein einziger Arzt in fünfzehn Zentimetern Entfernung ausübt, beträgt ungefähr das Doppelte der Anziehung des Jupiters auf dem erdnächsten Punkt seiner Bahn.]
Nun, die Sterne sind offensichtlich sehr göttlich, mächtig. Sie kreisen da oben über uns. Zumindest taten sie das, als wir Schafhirten waren und die ganze Nacht draußen blieben, doch heute wissen die wenigsten zivilisierten Menschen, warum der Mond seine Gestalt verändert, geschweige denn, wo der Polarstern steht. Ja doch, Sie wissen es, und das überrascht uns nicht. Andere wissen es nicht und glauben nicht, dass sich etwas zu wissen lohnt, was sie nicht wissen.
Sie haben ein vages Gefühl für ein paar von den Sternbildern, vor allem den Großen Wagen (oder Großen Bären), doch sie wissen nicht, dass diese Sterne nicht nahe beieinander stehen, sondern nur von der Erde aus in dieser Anordnung erscheinen, und auch das nur, astronomisch
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