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Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)

Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)

Titel: Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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dieser Entfernung konnte ich seine Tätowierungen sehen. Sie wanden sich über die Arme, den Rücken hinunter und über die Brust. Jeder Zentimeter seines Körpers, den ich sehen konnte – und wohl auch die Stellen, die ich nicht sehen konnte –, war mit Tierabbildungen bedeckt.
    Mein Blick glitt zu seinem rechten Bizeps, den einst ein heulender schwarzer Wolf geziert hatte. Der Wolf war immer noch da, zusammen mit einem Berglöwen auf der Brust, einer Tarantel auf dem Unterarm und einem Falken im Nacken. Es gab noch mehr Tiere, und allesamt waren sie Raubtiere, so wie der Mann, dessen Haut sie schmückten.
    Mit gerunzelter Stirn blickte ich auf den Wolf und dann in Sawyers Gesicht. Er beobachtete mich aufmerksam.
    Als Jimmy herankam, drehte ich mich zu ihm um. Ich weiß gar nicht, was ich ihn hatte fragen wollen, doch ehe ich mich versah, hatte Sawyer seine langen kräftigen Finger um meinen Ellenbogen gelegt. Mir blieb die Luft weg; einmal der Berührung wegen und zum anderen, weil sie sich glühend heiß anfühlte. Eigentlich hatte ich außerhalb seiner Reichweite gestanden. Wie war ihm das nur möglich gewesen?
    Wie aus dem Nichts kam der Wind und flüsterte nur ein Wort. Fellläufer .
    Nur mit Mühe gelang es mir, meinen Arm aus Sawyers Umklammerung zu befreien. Nur leider stolperte ich dabei gegen Jimmy, verhedderte mich mit meinen zu großen Schuhen und landete unsanft auf dem Hintern.
    „Verdammt“, knurrte ich. „Ist denn hier überhaupt noch jemand nur Mensch?“

 
    17
    J immy drängte sich zwischen Sawyer und mich und stieß dabei einen so schaurigen Laut aus, dass sich mir die Haare sträubten. Sawyer antwortete mit einem Lächeln, und aus meiner Gänsehaut wurde ein ausgewachsenes Zittern.
    „Mir geht’s gut. Hört auf. Scheiße.“ Ich rappelte mich auf und versuchte, die beiden Kampfhähne zu trennen. Jimmy stieß mich weg.
    „He!“ Ich ballte die Hände zu Fäusten, doch Jimmy nahm mich noch nicht einmal wahr.
    „Rühr sie ja nicht an“, sagte Jimmy.
    Sawyers Lächeln erstarb. „Ich werde tun, was ich tun muss. Und sie ebenso.“
    Jimmy holte aus, und Sawyer wich tänzelnd zurück. Hilflos zuckte ich die Achseln und ging ihnen aus dem Weg. Mein ganzes Leben hatte ich mit Männern diesen Schlages zugebracht.
    Vielleicht nicht ganz genau wie diese beiden, denn ich hatte überwiegend mit Menschenmännern zu tun gehabt, aber das Prinzip war ähnlich gewesen. Straßenkinder. Heimkinder. Bullen. Die harten Jungs waren alle gleich. Und wenn sie sich den Schädel einschlagen wollten, konnte sie nichts und niemand auf der Welt davon abbringen; da war es besser, sich gleich einen Kaffee zu holen und zuzuschauen.
    Solch eine Prügelei wie diese hatte ich allerdings noch nie gesehen, wahrscheinlich weil es nicht bloß ein Kampf, sondern eine richtige Schlacht wurde. Sawyer und Jimmy hatten Kräfte, die weit über das normale Maß hinausgingen. Wie Jimmy schon gesagt hatte, lag seine Stärke in Schnelligkeit und Kraft. Aber Sawyer war in dieser Hinsicht auch nicht zu verachten, wenngleich er nicht ganz an Jimmy herankam.
    Wenn einer von den beiden einen Schlag landete, flog der andere mehrere Meter durch die Luft. Sie jagten sich über den Hof, hierhin und dorthin, hoch auf das Dach, von dem sie abrutschten, hart aufschlugen, sich erhoben und weiter aufeinander einschlugen.
    „Das bringt doch nichts“, rief ich.
    Jimmy schaute zu mir rüber. Von einem Schnitt an der Lippe tropfte Blut, bei einem Menschen hätte es wahrscheinlich heftiger geblutet.
    Sawyer machte sich diese Ablenkung zunutze und zielte mit der Faust auf Jimmys Kinn. Doch Jimmy hatte den Braten rechtzeitig gerochen. Er warf sich auf den Boden und rollte geschickt aus Sawyers Reichweite.
    „Ich bin kein Kind mehr“, sagte Jimmy. „Du kannst es nicht mehr mit mir aufnehmen, alter Mann. Die Zeiten sind vorbei.“
    Alter Mann?
    Auf mich wirkte Sawyer wie dreißig, aber das hatte er schon immer. Gute Gene. Oder vielleicht gar keine Gene?
    Ich hatte keine Ahnung, was einen Fellläufer ausmachte. War er ein Nephilim, eine Kreuzung oder etwas völlig anderes? Ruthies Flüstern war unbestimmt gewesen.
    Sawyers Gesicht schillerte: Mann – Wolf – Mann. Als tobte unter seiner Haut und hinter seinen schaurig hellen Augen ein Kampf. Dann wurde er wieder Mann, und so blieb er auch. Fürs Erste wenigstens.
    Er wandte sich ab und entließ Jimmy wie einen Diener. Jimmy kam auf die Beine und sprang. Kurz bevor er sich an Sawyers Rücken klammern

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