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Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)

Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)

Titel: Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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eigenen. Viele nordamerikanische Indianerstämme hatten Kultgewänder aus Tierfellen, und der Kopfschmuck bestand manchmal sogar aus einem echten Tierkopf.
    Die andere Möglichkeit, und darum ging es hier wohl, war die, dass sich die menschliche Haut in eine tierische Haut verwandelte.
    „Gestaltwandler.“ Ich zuckte mit den Achseln. „Nach dem, was wir in Hardeyville gesehen haben, macht ihn das nicht außergewöhnlich.“
    Das Lächeln, das Jimmy jetzt zustande brachte, wirkte recht kläglich. „So ungern ich das auch zugebe, aber Sawyer ist außergewöhnlich. Fellläufer verwandeln sich durch Magie. Sie tragen ein Gewand, das ihrem Totemtier gleicht. Diese Zeremonie wird im Mondschein ausgeführt und…“ Er breitete die Hände aus.
    „Sie verwandeln sich in Tiere ihrer Wahl.“
    „Nein.“
    „Aber du hast doch gerade gesagt…“
    „Ich sagte Tier. Einzahl. Ein Tier pro Mensch, und nur das eine. Ihr Totemtier.“
    „Aber bei Sawyer ist es anders.“
    „Bei ihm kommt die Kraft von innen. Seine Mutter war eine Nephilim, die Magie steckt ihm im Blut. Seine Haut ist sein Zeremonienmantel.“
    Ich musste unwillkürlich an all die Tiere denken, die auf Sawyers Haut tätowiert waren. Jimmy teilte mir also gerade mit, dass er sich in jedes Einzelne davon verwandeln konnte. Das erklärte einiges.
    Damals, in jenem Sommer, wurde ich so manche Nacht von Tierlauten geweckt, die gar nicht in die Berge der Umgebung gehörten. Und wenn ich dann zum Fenster lief, um nachzuschauen, waren sie für gewöhnlich verschwunden.
    Für gewöhnlich.
    Ich hatte schließlich angefangen, an meinem Verstand zu zweifeln.
    Keine schöne Erfahrung für eine Fünfzehnjährige.
    Jimmy sprach jetzt mit gesenkter Stimme, als befürchtete er, der Wind könnte lauschen und unsere Stimmen zu weit entfernten, doch gespitzten Ohren tragen. „Man erzählt sich, dass seine Mutter eine Entsetzliche und sein Vater ein Medizinmann war, der den Heiligen Pfad beschritt und seinem Volk Gutes tat.“
    „Das verstehe ich nicht.“
    „Die Entsetzlichen sind Monster.“ Wild gestikulierte er mit den Händen. „Welcher Art, weiß ich nicht so genau.“
    Und wahrscheinlich hatte bislang noch niemand den Mut gehabt, Sawyer danach zu fragen. Ich jedenfalls nicht.
    „Der Heilige Pfad ist die Grundlage des Navajoglaubens. Durch Mantren und spirituelle Gesänge wird das Leben im Gleichgewicht gehalten.“
    „Also war Sawyers Vater eine Art Heiliger?“
    „Ja. Und ich wette, sie hat die Verführung umso mehr genossen. Medizinmänner, die sich mit schwarzer Magie einlassen, gelten als männliche Hexen, brujas. Für den Stamm sind sie Verräter, und sie werden gejagt und hingerichtet.“
    „Immer noch?“
    „Es kursieren einige Geschichten darüber.“
    „Und was ist mit ihm?“ Ich deutete mit dem Kopf zum Haus.
    „Ihn kann man nicht töten, er ist zu mächtig. Versucht haben es schon viele, doch bislang ohne Erfolg.“
    „Lebt er deshalb so weit draußen?“, fragte ich.
    Jimmy zuckte mit den Schultern. „Kann schon sein. Seine Leute haben ihn verstoßen. Von Anfang an.“
    „Also Sawyers Vater gehörte als Medizinmann zu den Guten, und trotzdem hat er mit einer Nephilim geschlafen?“
    „Ohne es zu wissen. Sie hatte die Gestalt seiner Frau angenommen. Nacht für Nacht hat sie ihn verführt, bis sie endlich schwanger geworden ist, und dann…“ Jimmy blickte kurz zum Haus. „… hat sie ihn umgebracht.“
    Ich zuckte zusammen. „Die Schwarze-Witwe-Nummer.“
    „Ich kann schon nachvollziehen, warum er so ist, wie er ist. Die Navajokultur ist matriarchalisch ausgerichtet. Die weibliche Linie dominiert bei der Vererbung. Das Blut der Mutter gilt als stärker, und ich glaube das auch, aber…“
    „Aber was?“, fragte ich, als er nicht weitersprach.
    „Ja“, sagte Sawyer. „Aber was?“
    Beim Klang seiner Stimme drehten wir uns erschrocken um. Ich weiß gar nicht, ob ich tatsächlich mit Sawyers Erscheinung gerechnet hatte. Vielleicht hatte er uns mit seinen super-duper Fledermausohren sprechen hören können oder war in Gestalt einer Fledermaus tief über uns hinweggeflogen und antwortete jetzt mit seiner normalen menschlichen Stimme. Zwar hatte ich so weit keine Fledermaustätowierung auf seinem Körper entdecken können, aber es gab ja noch die Möglichkeit, dass er sie auf seinem Hintern eingraviert hatte.
    Aber an ihm war nichts Übernatürliches. Außer dass er direkt hinter uns stand und keiner von uns ihn hatte kommen hören.
    „Wie

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