Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)
Leben zu schwimmen und zu kämpfen.
Einer der Kojoten griff jetzt an. Sawyer tänzelte anmutig auf den Zehenspitzen und trat dem Tier dann in die Schnauze. Barfuss muss das höllisch wehgetan haben, aber Sawyer verzog keine Miene.
Der Gestaltwandler hatte weniger Glück. Auf das widerliche Geräusch knirschender Knochen folgte ein jämmerliches Jaulen. Er stürzte zu Boden und rieb mit seinen Pfoten verzweifelt seine verletzte oder vielleicht sogar gebrochene Schnauze.
Anstatt das Weite zu suchen wie echte Kojoten, knurrte das Rudel und zog seinen unentrinnbaren Halbkreis nur noch enger um uns.
Sawyer lachte lauthals; ich schrak zusammen, so unpassend schien mir diese Reaktion. Selbst die Kojoten erstarrten und senkten die Köpfe. Mit ihren glänzend schwarzen Augen funkelten sie ihn an, bevor sie ihre Zähne bleckten.
„Hast du den Verstand verloren?“, zischte ich leise.
„Ich nicht, aber die.“
„Die Kojoten?“ Argwöhnisch betrachtete ich sie. Ich wusste nicht, wie ich auf zehn Kojotenmenschen reagieren sollte. Und zehn verrückte Kojotenmenschen – das hatte mir gerade noch gefehlt.
„Die, die sie geschickt haben.“
„Was meinst du damit? Aus meiner Sicht können wir unsere Körper gleich in einzelnen blutigen Klumpen zusammensuchen.“
„Warte es nur ab. Unsere Perspektive wird sich ändern.“
„Warten wir auf die Kavallerie?“
„Sozusagen.“ Mit einem Finger fuhr er über seinen Bizeps mit dem heulenden Wolf und schaute mich dabei an. Seine Augen hatten sich verwandelt, sie waren zu gelben Kugeln geworden – wölfisch. „Ein einsamer Kojote flüchtet vor einem Wolf.“
Ich runzelte die Stirn. „Die müssen doch gewusst haben, wozu du imstande bist.“
„Deshalb haben sie auch so viele geschickt.“ Seine Umrisse begannen zu schillern. Die Kojoten heulten, doch weniger aus Angst, es war mehr ein Schlachtruf.
„Ein Wolf und zehn Kojoten“, sagte Sawyer, und seine Stimme wurde immer grollender, je weiter die Verwandlung fortgeschritten war. „Unterzahl.“
„Na toll“, grummelte ich.
„Und genau da liegt ihr Fehler.“
„Welcher Fehler?“
Sawyer nahm meine Hand und zog sie zu seinem Bizeps. In dem Moment, in dem meine Handfläche den Wolf berührte, schien die Erde zu beben, und die Welt um mich herum war ein einziger silberner Strahl.
„Es gibt nicht nur einen Wolf.“
25
I ch wusste überhaupt nicht, was mit mir geschah.
Nein, das stimmt nicht. Ich wusste, was mit mir geschah, aber nicht, warum. Wie konnte es angehen, dass ich mich an Sawyers Seite in eine Wölfin verwandelte?
Das Licht war so hell, dass es mich blendete und ich die Augen schließen musste. Zuerst wurde mir ganz kalt, und dann stieg eine brennende Hitze in mir auf. Unter meiner Hand verwandelten sich krachend Sawyers Knochen; es schien, als würden sie auseinanderbrechen, um sich an anderer Stelle wieder zusammenzufügen. Aus seiner sich kräuselnden Haut schoss Fell heraus. Als ich das nächste Mal hinsah, war aus meiner Hand bereits eine Pfote geworden.
Ich stürzte zu Boden – Zweifüßler zu Vierfüßler, da ist man nur noch halb so groß. Bis ich mit den Händen, Knien, Pfoten, Klauen und allem anderen auf dem Boden aufgekommen war, war ich schon eine Wölfin geworden.
An meinem Denken hatte sich nichts geändert. Ich wusste noch, wer ich war, Liz. Ich kannte auch noch den Feind. Die Kojoten. Sawyer? Freund? Feind? Ich schwankte. Als Wolf gehörte er zum Rudel. Die Person tief in mir wollte ihm jedoch an die Kehle.
Mehrere Kojoten warfen einen Blick auf uns und suchten dann schleunigst das Weite. Feiglinge.
Sawyer fletschte knurrend die Zähne, seine Wolfsstimme war ebenso dunkel wie seine menschliche, aber doppelt so furchterregend. Abermals verschwanden zwei Kojoten im Wald. Leider waren es die vier größten, die sein Knurren erwiderten.
Der Kampf war blutig, schmutzig und ging bis zum bitteren Ende. Nichts, was ich nicht schon einmal getan hätte, nur eben nicht als Wölfin. Ich muss zugeben, so schlimm war es gar nicht. Mit den eingebauten Waffen von Zähnen und Klauen war ich nur sehr viel schneller und stärker. Kein Gedanke mehr an ein verlegtes Messer oder vergessene Silberkugeln.
Die Kojoten teilten sich auf. Drei griffen Sawyer an und der letzte mich. Wahrscheinlich wäre ich beleidigt gewesen, hätte ich mich nicht so erleichtert gefühlt. Mein Angreifer fackelte nicht lange, sondern stürzte sich direkt auf meine Kehle. Ich duckte mich und warf mich in einer Rolle
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