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Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)

Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)

Titel: Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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hatte. Ich hatte auf keinen Fall etwas verpassen wollen.
    Sawyers Verwandlung war anders als alle, die ich bislang gesehen hatte. Der Berserker hatte sich geschüttelt, Fell war herausgeschossen, und mit einem Schlag war er ein Bär gewesen. Sawyer verwandelte sich auf wesentlich kunstvollere Weise. In seiner Verwandlung hatte etwas Magisches gelegen.
    Meine Augen wanderten über seine Tätowierungen, und ich musste unwillkürlich an die Legenden über Fellläufer denken und an ihre Gewänder, die ihnen magische Kräfte verliehen.
    „Warum trägst du nicht einfach ein Gewand?“, fragte ich ihn.
    Er beugte sich vor, ergriff den Hasen bei den Ohren und ging damit zu den Überresten des Feuers, ohne sich auch nur im Geringsten um seine Nacktheit zu scheren. Mir machte es ebenso wenig aus. Auch mir wären meine Kleider zu eng, zu kratzig, ja unangebracht vorgekommen.
    „Sehe ich aus, wie jemand, der ein Gewand trägt?“ Er ließ den Hasen fallen, verschwand gebückt in dem Hogan und kam mit einem Messer zurück; er kauerte sich neben das Frühstück.
    „Ich meine die Robe eines Fellläufers. Warum hast du…?“ Als er aufsah, stockte ich und deutete vage auf seinen Körper.
    „Warum habe ich was?“ Zwar klang seine Stimme sanft, doch hatte sie einen scharfen Unterton. Ich hatte eine Grenze überschritten, wusste aber nicht, wann oder womit.
    „Wäre es denn mit einem Mantel nicht einfacher?“, murmelte ich. Und nicht so schmerzhaft.
    „Es ging mir nicht darum, was leichter war, sondern um Macht. So viel Macht wie möglich.“
    In seinen Augen lag ein Funkeln, und durch die Berge blies ein Wind, der wie ein einsamer Wolf heulte, und auf einmal war ich froh über meine warmen Sachen, die ich noch Sekunden vorher zum Teufel gewünscht hatte. Dieser Mann war kein Tier aus dem Streichelzoo, er war auch kein Freund. Er war gefährlich.
    „Diese Mäntel sind doch nur etwas für Dilettanten“, führte er aus. „Medizinmänner, die einen Zauberspruch brauchen, um sich in ihr Totemtier zu verwandeln. Ich brauche weder einen Zauberspruch noch eine Zeremonie oder ein Mantra. Ich wünsche es einfach, und es geschieht.“
    Ganz langsam stand er auf und strich sich mit der Hand über den Bauch, die Brust, Arm und Schulter. Gebannt starrte ich auf die unsichtbare Spur und musste daran denken, wie er schmeckte.
    Das war schließlich keine Erinnerung, sondern bloß ein Traum.
    „Meine Tiere sind ein Teil von mir“, sagte er. „Genau wie sie.“
    Ich riss meinen Blick von seinem Bizeps los und sah ihm ins Gesicht. „Was sagst du da?“
    „Hier liegt mehr Böses als Gutes verborgen.“ Seine Hand glitt zur linken Seite seiner Brust.
    „Das ist nicht wahr. Du bist wie die anderen. Nephilim und Mensch.“
    „Ich hab dir schon einmal gesagt, dass ich anders bin. Meine Mutter war zwar eine Nephilim, aber mein Vater war kein normaler Mensch, er war mehr.“
    Wieder überkam mich ein kalter Schauer, diesmal stärker als zuvor. „Jimmy hat gesagt…“
    Sawyer schnitt mit der Hand durch die Luft, durch meine Worte. „In Sanduccis Version fehlt ein großer Teil. Mein Vater wurde zwar verführt, aber als er erst einmal die Wahrheit kannte, hat er sich mit ganzem Herzen der Dunkelheit verschrieben. Er wurde ein Fellläufer mit Robe.“
    „Ein Dilettant“, flüsterte ich.
    „Im Vergleich zu mir.“ Er senkte den Kopf. „Sie war eine Naye’i.“
    „Eine Entsetzliche“, sagte ich.
    „Ein Monster. Ja. Sie war schön, aber böse. Im Chaos blühte sie auf, berauscht wie von einer Droge. Sie konnte jeden dazu bringen, alles zu tun.“
    Mir fehlten die Worte. Wie musste es wohl für ihn gewesen sein, von einem Monster aufgezogen worden zu sein? Und was war mit dem Mann, den sie in ihrer Gewalt hatte? Eigentlich wollte ich das lieber nicht so genau wissen.
    „Sie hat ihn dazu überredet, sein Totemtier anzunehmen, die meiste Zeit lebte er als Bär. Auf ihren Befehl hin tötete er. Als er starb, klebte das Blut von Tausenden an seiner Seele, doch ihretwegen war es ihm egal.“
    Ich dachte an all die Tiere, die Sawyers Körper zierten. Ein Bär war nicht darunter.
    „Aber dir, dir ist es nicht egal“, sagte ich.
    „Meinst du?“
    Ich öffnete den Mund, um ihm zu sagen, dass ich wusste, dass er anders war. Dass er sonst nicht mit der Föderation zusammenarbeiten und Dämonenjäger und Seher ausbilden würde, wenn er Lust am Töten empfände, wenn er damit nicht auf irgendeine Weise versuchte, das Unrecht seiner Eltern

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