Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition)
erschrak Jimmy selbst ebenso wie ich. Auf diese Weise töteten wir, wenn wir Vampire waren. Das Blut spritzte dann in einer riesigen Fontäne heraus.
Mach es noch mal , flüsterte der Dämon.
Jimmy leckte sich die Lippen. Ich wusste, was er dachte. Das Gleiche, was ich dachte. Beziehungsweise das Gleiche, was mein Dämon dachte.
Er bewegte den Arm, und ich ließ ihn los. Summer tat es jedoch nicht, deshalb griff ich gleich wieder zu. Er seufzte. „Du kannst wieder in dein Zimmer gehen und eine Runde schlafen, Elizabeth. Ich komm schon klar.“
Als ob ich schlafen könnte.
„Was ist mit ihr?“, fragte ich. Meine Stimme klang kindisch und bockig. Kein Wunder, genau so fühlte ich mich. Ich wollte Summer und Jimmy vor die Schienbeine treten. „Geht sie auch wieder auf ihr Zimmer?“
Jimmy antwortete nicht. Stattdessen humpelte er ins Badezimmer und nahm Summer mit.
Das war wohl Antwort genug.
Wenigstens war dieses verdammte Yankee-T-Shirt hinüber.
Als ich wieder in mein Zimmer kam, klingelte mein Handy. Die Verbindungstür war kaputt, also ließ ich sie offen stehen und nahm das Handy von der Kommode.
„Phoenix“, meldete ich mich.
„Ja, hallo.“
Die Stimme kam mir zwar bekannt vor, aber ich konnte nicht auf Anhieb zuordnen, wem sie gehörte. Das war nicht überraschend, da alle verbliebenen Mitglieder der Föderation meine Handynummer hatten, ich die meisten von ihnen jedoch noch nie persönlich getroffen hatte.
„Hier ist Xander Whitelaw.“
Er gehörte nicht zur Föderation, wusste aber, worum es ging. Alexander Whitelaw war Professor am Brownport Bible College im Süden von Indiana. Spezialgebiet: die Prophezeiungen der Offenbarung. Vor seiner Promotion über dieses Thema hatte er Mythen und Legenden studiert, insbesondere die der Navajos. Er war mir im letzten Monat eine große Hilfe gewesen, als ich herausfinden musste, wie ich eine Naye’i, eine besonders unangenehme Navajo-Hexe mit einem Antichrist-Komplex, zerstören konnte.
„Dr. Whitelaw, was kann ich für Sie tun?“
„Ich habe etwas herausgefunden“, sagte er.
Ich hatte Whitelaw gebeten, das Buch Samyaza und den Schlüssel Salomos aufzutreiben – oder zumindest einen Hinweis darauf, wo wir eines von beiden finden konnten. Er galt zwar als ein versierter Forscher, aber ich hatte nicht gewusst, dass er so großartig war. Erst seit ein paar Wochen war er auf der Suche, und diese Bücher waren schon verschollen seit … schwer zu sagen, schließlich war eines der beiden sogar noch nie gesehen worden und das andere hauptsächlich ein Gerücht.
„Sie müssen nach Brownport kommen.“
„Können Sie es mir nicht einfach sagen?“, fragte ich.
„Keine gute Idee.“
Er erklärte nicht, was er damit meinte, aber auch ohne ihn zu berühren, konnte ich hören, was er dachte.
Handys sind nicht sicher, und die Informationen, die er für mich hatte, durften aus leicht ersichtlichen Gründen nicht in die falschen Hände gelangen.
„Ich werde morgen bei Ihnen sein“, sagte ich und legte auf.
Als ich wieder durch die beschädigte Tür ging, nahm der Horizont im Osten gerade einen düsteren Pfirsichton an. Ich hatte niemanden aus dem Bad kommen hören. Das Schlafzimmer und das Bett waren leer, Gott sei Dank, aber …
Vor der geschlossenen Badezimmertür zögerte ich kurz und biss mir auf die Lippe. Dann klopfte ich aber doch an und ging hinein.
Jimmy lag in der Badewanne, das Wasser war rostrot vom Blut, und seine Haut bildete, blasser als sonst, einen gespenstisch weißen Kontrast zu seinen blauschwarzen Haaren.
Für einen Moment dachte ich schon, er sei tot, und mein Blick fiel auf seine Hände, weil ich an den Handgelenken längs verlaufende Einschnitte zu sehen erwartete. Aber natürlich war da nichts. So einfach konnte sich Jimmy nicht das Leben nehmen.
Trotzdem schnappte ich hörbar nach Luft, und Jimmy öffnete die Augen. „Was ist los?“
Das Bild, wie Jimmy tot in der Wanne lag, verflüchtigte sich, und ein anderes trat an seine Stelle, nämlich das Bild, das sich wirklich vor meinen Augen befand.
Sanducci lag lang ausgestreckt und nackt in der Wanne, ein Bein hing über den Rand. Seine Haare wellten sich im heißen Wasser, die Spitzen trieben an der Oberfläche, lagen glatt und feucht auf seinen Schultern, den Brustmuskeln und dem Bauch.
Ich konnte nicht verhindern, dass ich mir über die Lippen leckte, und der Ausdruck in seinen Augen wandelte sich von Neugier in Abscheu.
„Nein“, sagte er und setzte sich auf.
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