Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition)
und mit mir geschlafen hatte, war zwischen uns zwar immer noch ein Streitpunkt, aber seit ich die Wahrheit über seine Mutter herausgefunden hatte, war der Wunsch, ihm bei der nächstbesten Gelegenheit ein Messer in den Rücken zu rammen, etwas weniger drängend geworden. Ich hatte ihm zwar noch immer nicht verziehen, glaubte aber zu verstehen, warum er dachte, es wäre in Ordnung gewesen. Seine moralischen Richtlinien schienen mir ebenso verdorben wie er selbst.
Wir liefen kilometerweit. Es fühlte sich so gut an, einfach draußen an der frischen Luft zu sein, den Wind im Fell zu spüren und nichts weiter tun zu müssen, als einfach nur zu sein.
Über dem Horizont hing die Nacht in der Luft. Vor uns tauchte Mount Taylor auf, riesig und wunderschön, voll von Mysterien und Magie. Auf diesem Berg war ich zu dem geworden, was ich jetzt war. Ich wusste allerdings noch immer nicht so recht, was ich eigentlich davon halten sollte.
Jeder hatte nun mal sein Schicksal, und dies hier war meines. Ich hatte es nicht gewollt, wollte es noch immer nicht. Aber wir bekommen nur selten das, was wir gerne hätten. Wir machen weiter, wir leben, oder wir sterben, aber wir finden uns irgendwann damit ab.
Sawyer lief nun nicht mehr auf den Berg zu, sondern rannte weiter über das karge Land. Als ich gerade fragen wollte, wohin wir denn unterwegs wären und warum, hielt er plötzlich an, kauerte sich zusammen und schien vom Erdboden zu verschwinden.
Ich gab ein überraschtes Wuff von mir, und plötzlich tauchte sein Kopf wieder auf, als wäre er im Sand eingegraben gewesen. Komm , befahl seine Stimme.
Ich folgte ihm langsam und sah, dass der trockene Boden abgebröckelt war und eine ziemlich tiefe Höhle freigab. Eine Seite war zur unaufhaltsam heraufkriechenden Nacht hin offen, die andere führte in eine gewundene Höhle unter einer sandfarbenen Felszunge zurück. Sawyers Kopf steckte in der Höhle, und auf seinen Schwanz warf die untergehende Sonne scheckige Schatten.
Was riechst du? , fragte er, als ich mich zu ihm gesellte.
Ich schnüffelte. Etwas Wildes und Verwegenes, nicht menschlich, aber auch nicht ganz unmenschlich, etwas, das ich zwar wiedererkannte, aber nicht richtig zuordnen konnte.
Ich weiß es nicht.
Kein Kojote, kein Wolf , überlegte er.
Nein. Die hatte ich schon mal gerochen.
Er kroch hinein.
Hey, das ist aber keine gute Idee!
Das Tier, das hier wohnte, könnte zurückkommen und uns finden.
Sawyer antwortete nicht und kam auch nicht zurück. Ich stand einige Sekunden draußen, dann warf ich einen schnellen Blick hinter mich und folgte ihm ins Innere der Höhle.
Es war ein Bau, eng und warm und trocken. Er roch nach … was auch immer sich darin niedergelassen hatte, aber danach roch es sehr.
Verwirrend. Sein Gedanke drang laut und deutlich in meinen Kopf, begleitet von den Aromen seiner Emotionen. In dieser Gestalt waren Gefühle wie Auren oder Düfte. Lachen schmeckte wie Sirup. Wut wie Feuer. Und in diesem Augenblick wurde der Geruch des unbekannten Tieres von einem Hauch süßsaurer Soße überlagert. Verwirrung. Sawyer wusste ebenso wenig wie ich, was er mit diesem Ort und dem Eindringling anfangen sollte.
Gehen wir lieber wieder nach draußen. Da können wir warten, bis sie zurückkommen, dann wissen wir Bescheid.
Zustimmend senkte er den Kopf. Ich versuchte mich umzudrehen und zu dem grauen Oval des Eingangs zurückzutrotten. Er tat das Gleiche. Seine Brust stieß gegen mein Hinterteil. Mein Schwanz strich über seine Nase. Wir erstarrten, ineinander verkeilt und fest aneinandergedrückt, und konnten uns nicht rühren, ohne uns noch fester aneinanderzuschmiegen. Als mich sein Atem streifte, wusste ich, dass jetzt die Paarungszeit gekommen war.
Sawyer hatte als Wolf gelebt und sich auch als solcher gepaart. Nun wollte er es wieder tun, und zwar mit mir. Ich hatte mich dagegen gewehrt. Schon der Gedanke daran war mir unangenehm. Oder jedenfalls war das bis heute so gewesen. Jetzt brüllte das wilde Tier in mir, es wollte raus, meine Haut zuckte unter dem Fell. Sawyers Duft, mein eigener und dazu noch der Geruch dieses Ortes – all dies ließ mich mit dem Gedanken spielen, die Schultern zu senken, den Rumpf zu heben und ihm zu erlauben, mich von hinten zu besteigen und …
Er bewegte sich, und ich schoss aus dem Bau. Dabei rempelte ich ihn so hart an, dass er gegen die Wand prallte und sich der Sand wie Regen über uns ergoss.
Panisch richtete ich mich auf und wurde wieder ich selbst, die Luft
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