Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition)
ich.
„Ist das wichtig?“
„Möglicherweise. Man sollte meinen, sie würden ihre Zeit lieber damit verbringen, überall Verwüstungen anzurichten, wie die restlichen Nephilim auch. Dass sie so auf dich versessen sind, ist … beunruhigend.“ Vorsichtig ausgedrückt.
„Sie haben meine Eltern getötet.“ Luther zuckte die Achseln. „Aber mich haben sie nie gefunden. Vielleicht können sie es einfach nicht lassen.“
„Und suchen die nächsten fünfzehn Jahre lang weiter? Das ist aber eine ganz schön lange Zeit für ein Schmusekätzchen.“ Ich erinnerte mich an meine kurze Begegnung mit dem Löwenmann und legte den Kopf schief, um mir seine Stimme mit dem starken Akzent wieder ins Gedächtnis zu rufen. „Er war Afrikaner.“
Luther schnaubte. „Warum? Weil er schwarz war?“
„Er hatte einen Akzent, hat gefragt: Wo iss de Junge? “
Die plötzliche Veränderung in Luthers Gesichtsausdruck ließ mich innehalten und fragen: „Was ist?“
„Genau so?“, fragte er. „Hat er genau so geklungen?“
„Ja“, sagte ich langsam. „Warum?“
„Meine Mutter hatte auch einen Akzent. Sie kam aus Kenia.“ Ein kleines, trauriges Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab, und er betrachtete den Berg. „Sie kam immer ins Haus und rief: Wo iss de Junge? Und dann kam ich angelaufen.“
Bei diesem Bild verschleierte sich mein Blick ein wenig. Ich hatte nie eine Mutter gehabt, jedenfalls keine, an die ich mich hätte erinnern können. Als Ruthie mich aufgenommen hatte, war ich schon viel zu alt gewesen, um angelaufen zu kommen. Und sie hatte viel zu viele Kinder in ihrer Obhut, als dass sie nach mir gerufen hätte.
Man könnte meinen, dass ich Bruchstücke von Erinnerungen an jemanden hätte – ein verschwommenes, geisterhaftes Gesicht, einen Geruch, der die Vergangenheit heraufbeschwor – aber das kannte ich nicht. Vor dem ersten Pflegeheim war da nur ein großes, schwarzes Nichts, von dem ich mir manchmal wünschte, es hätte auch die Erinnerungen an einige der Heime verschlungen.
„Du sagst, der Mann, der dich gesucht hat, hatte den gleichen Akzent wie deine Mutter?“, vergewisserte ich mich.
„Ich habe ihn ja nicht sprechen gehört, aber …“ Er öffnete den Mund und brüllte so laut, dass mich der Luftzug, wäre ich eine Cartoon-Figur gewesen, einen Meter zurückgeworfen hätte. Dann zuckte er die Schultern. „Verstehst du, was ich meine?“
Wie ich mir gedacht hatte, wäre es ein verdammt großer Zufall gewesen, wenn die Gruppe von Barbas, die hier aufgetaucht war, nichts mit der Gruppe zu tun gehabt hätte, die Luthers Eltern getötet hatte. Auch wenn Luther sie herbeigerufen hatte, nach der Frage in der Dusche zu urteilen, waren die Barbas auf der Suche nach dem Jungen gewesen.
Und wie Luther so treffend gesagt hatte: Wenn sie wirklich hinter dir her sind, bist du nicht paranoid.
„Verwandtschaft?“, überlegte ich.
„Von meiner Mutter?“ Der Gedanke schien ihm zuerst noch verlockend zu klingen, bis ihm dann aber klar wurde, dass ihn die Familie, die er gerade gewonnen hatte, ja tot sehen wollte.
Ich erinnerte mich daran, wie ich zum ersten Mal damit konfrontiert war, dass Wesen – Menschen, Dämonen, sonst was – , die ich nicht kannte und denen ich auch nichts getan hatte, mich umbringen wollten. Ich hatte eine Weile gebraucht, um mich daran zu gewöhnen. Luther kam wesentlich schneller damit zurecht.
Seine Gesichtszüge verhärteten sich. Er hob das Kinn und sagte: „Ich werde jeden Einzelnen von ihnen pulverisieren.“
„Das ist mein Junge!“
„Ich bin nicht dein Junge.“
Luther vertraute mir noch immer nicht, und ich konnte es ihm kaum verdenken. Wenn dieses Halsband nicht wäre, würde ich versuchen, ihn zu töten. Ohne dieses Halsband würde ich ihm vermutlich für lange, lange Zeit Schlimmeres antun, als ihn zu töten.
Und wäre das nicht ein Riesenspaßßß?, flüsterte der Dämon.
Ich zitterte. Ich hasste dieses Ding in mir. Und dafür, dass ich Jimmy dazu gebracht hatte, das Ding in ihm wieder befreien zu lassen, hasste ich mich selbst fast genauso sehr.
Ich ignorierte Luthers Seitenhieb. Was hätte ich auch sonst tun sollen? Klarzustellen, dass er sehr wohl mein Junge war, da er nämlich in der Armageddon-Armee unter meinem Kommando stand, würde nur in eine weitere Diskussion darüber münden, dass ich den Kontakt zum wahren Feldherrn der Armee verloren hatte. Da ich diesen Kontakt jetzt aber brauchte, war es nicht gerade ratsam, es mir mit der
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