Die Phoenix Chroniken: Fluch (German Edition)
irgendwo an meinem Körper versteckten, einzuschlafen, trieb mich trotz der Erschöpfung in die wasserfleckige Badewanne. Nur der Himmel wusste, wo sich sonst noch matschige Klumpen aus Blut und Asche verbergen mochten.
Als ich endlich fertig war, ging ich in das viel zu stille Schlafzimmer zurück. Mein Gesicht im Spiegel sah abgespannt und blass aus – für meine Verhältnisse jedenfalls. Auf jeden anderen musste es tief gebräunt wirken. Meine Augen schienen blauer zu sein als sonst, was vermutlich auf den gehetzten Ausdruck zurückzuführen war, der jetzt in ihnen lag.
Das edelsteinbesetzte Band um meinen Hals wirkte trügerisch. Hübsch und strahlend, wie es war, stand es in krassem Gegensatz zu der hässlichen Dunkelheit, die es unter Kontrolle hielt. Ich wollte diese Dunkelheit loswerden, zusammen mit dem verdammten Halsband. Doch ich wusste nicht, ob das überhaupt möglich war. So langsam beschlich mich der Verdacht, dass diese Dunkelheit jetzt ein Teil von mir war.
Der Türkis zwischen meinen Brüsten schien im Rhythmus meines Herzschlags zu pulsieren, mich zu rufen, zu hypnotisieren. Langsam hob ich die Hand und berührte ihn. In der Glasscheibe hinter mir bewegte sich etwas Dunkles ganz nah am Boden.
Ich fuhr herum, die Finger fest um den Türkis geschlossen. »Sawyer?«
Nichts.
Zutiefst enttäuscht ließ ich den Kopf hängen. Was hätte ich getan, wenn Sawyer wirklich im Zimmer gewesen wäre – als Tier oder als Mann?
Ich rieb mit dem Daumen über den grünlichblauen Stein, und er wurde wärmer – durch meine Hand oder durch Magie? Der Stein war eine Verbindung gewesen – jedenfalls früher, als Sawyer noch lebte. Jetzt war er nur noch ein Stein.
Als ich mich umdrehte, erstarrte ich.
Im Spiegel stand Sawyer.
18
I ch schloss die Augen und öffnete sie wieder. Er war immer noch da.
Es war keine Spiegelung. Er befand sich nicht im Zimmer, das hatte ich überprüft.
Nein, er war im Spiegel.
So hatte ich ihn seit seinem Tod nicht mehr gesehen. Besser gesagt, seit vor seinem Tod.
Ich wollte nicht mehr daran denken, wie er ausgesehen hatte, an einen Telefonmast gefesselt und mit herausgerissenem Herzen. Leider bekam ich nur selten, was ich wollte, und so hatte ich es trotzdem oft genug vor mir gesehen – wenn ich träumte und wenn ich wach war.
Seine Haut glänzte bronzefarben in einer Sonne, die ich nicht sehen konnte. Unter seiner Haut spielten die Muskeln in seinem Bauch, seiner Brust und den Armen und ließen die Tattoos tanzen. Sein schwarz glänzendes Haar fiel ihm offen über die Schultern, bewegt von einem Wind, der zu weit entfernt war, als dass ich ihn hätte spüren können.
Der Blick aus seinen grauen Augen brannte bei jeder Berührung. Ich hatte meine Kleidung in einem Haufen auf dem Badezimmerboden liegen lassen, genau wie das Handtuch. Und darum reagierte mein Körper unter seinem Blick so heftig, als würde er mich überall streicheln.
»Du fehlst mir«, flüsterte ich. Er hielt mir seine Hand entgegen.
Ich streckte den Arm aus. Fast fürchtete ich, dass Sawyer verschwinden würde, wenn ich meine Hand auf das kühle Glas legte, so wie er damals nach seinem Tod verschwunden war. Stattdessen glitschten meine Finger durch die Scheibe, schienen auf dieser Seite zu verschwinden und auf der anderen wieder aufzutauchen. Sawyer schloss seine Hand um meine und zog mich in den Spiegel hinein.
Ich stolperte, und er fing mich auf. Er war warm und roch so gut – nach den Bäumen, der Erde und der Sonne auf dem Berg, nach sich . Ich wollte mein Gesicht überall an seinem Körper reiben, seine Haut an meiner Wange spüren, seine Haare auf meinen Augenlidern, wollte am liebsten mit seinem Duft verschmelzen.
Als ich durch den Spiegel ins Motelzimmer blickte, das bis auf meinen Seesack und die Schlüssel leer war, wurde mir schwindlig. Im Gegensatz zu dem Mondlicht, aus dem ich gekommen war, schien hier hell und warm die Sonne. An diesem Kontrast erkannte ich, dass der Ort, an dem ich jetzt stand, das genaue Gegenteil des Ortes war, von dem ich kam. Spiegelverkehrt sozusagen.
Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder Sawyer zu, voller Fragen, die über meine Lippen purzeln wollten. Er küsste mich.
Er schmeckte wie der Tag und die Nacht, wie Salz und Zucker, scharf und süß zugleich – und ich wollte ihn so lange schmecken, bis der Schmerz und die Angst und die Einsamkeit verschwunden waren.
Ich nahm sein Haar in meine Hände. Die ebenholzfarbenen Strähnen fühlten sich
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