Die Phoenix Chroniken: Fluch (German Edition)
der Nasenspitze beheben. Als ich mich wieder umdrehte, sah ich nur noch die leere Straße.
»Sie sind definitiv mehr als nur ein Mensch«, sagte ich.
17
B evor ich in den Impala stieg, wusch ich mir mit dem Wasser aus einem der Kanister im Kofferraum das Draugrblut ab. So, wie ich aussah – als hätte ich den ganzen Tag über als Komparse in einem Quentin-Tarantino-Film mitgewirkt –, konnte ich unmöglich durch die Gegend fahren – schon gar nicht in eine kleine Westernstadt – und für die Nacht in einem Motelzimmer einchecken.
Ich zog das ruinierte limettengrüne Tanktop und den BH aus und stattdessen ein sauberes Oberteil an – diesmal in leuchtendem Rot. Vielleicht würde mich der Farbton ja aufputschen.
Ich kaufte Shirts, BH s und Unterwäsche immer tütenweise bei Walmart. Sie hielten selten lange genug, um abgetragen zu werden. Schon nach kurzer Zeit hatte ich gelernt, dunkle Jeans zu kaufen, auf denen zahllose fragwürdige Körperflüssigkeiten so gut wie unsichtbar wurden. Außerdem kaufte ich schwarze Turnschuhe, nachdem meine weißen zuerst beim Waschen rosa geworden und dann beim Bleichen auseinandergefallen waren.
Ich hatte gehofft, in Osage, der nächsten Stadt an dieser Straße, ein Motel zu finden. Doch dann stellte sich heraus, dass dieser Ort nur zwei- bis dreihundert Einwohner hatte und kein Motel brauchte. Glücklicherweise sah ich ein Werbeplakat für eine familienbetriebene Pension in der Nähe von Upton, auf dem mit einer Internetverbindung und kostenlosem Frühstück geworben wurde.
Ich zahlte bar. Zu viele Nephilim kannten meinen Namen. Die Föderation verfügte über ein großes Netzwerk – in jeder sozialen Schicht, auf allen Geschäfts- und Regierungsebenen saßen Mitglieder, die auf einen Anruf von mir jede Spur meiner Transaktion hätten löschen können. Aber die konnten mit ihrer Zeit und ihren Talenten auch Sinnvolleres anfangen. Außerdem verfügten die Nephilim über ein ganz ähnliches Netzwerk. Man wusste nie, wer die Information als Erstes bekommen würde – oder ob sie nicht sogar das Telefonat abfingen.
Obwohl ich die Anführerin des Lichts war, wusste ich nicht genau, wie viele Mitglieder die Föderation hatte, wer sie waren oder was sie taten. Ruthie war so plötzlich gestorben, dass sie mir nicht allzu viel hatte erklären können, und ich war zu sehr damit beschäftigt gewesen, die Apokalypse mit Händen und Füßen aufzuhalten, als dass ich einen Crashkurs in Sachen Föderationsverwaltung hätte belegen können.
Aber Ruthie hatte ihre Leute gut ausgebildet – bis auf mich –, und so waren sie es gewöhnt, selbstständig zu arbeiten. Sie machten einfach so weiter wie bisher, ohne dass ich Anweisungen geben oder sie führen musste. Und so war die Föderation, gemessen an den Umständen, verhältnismäßig reibungslos weitergelaufen.
Der Mann am Empfang sah aus, als wäre er gerade von einem dreiwöchigen Ausflug zum Fliegenfischen zurückgekommen. Sein Gesicht und seine Arme hatten die Farbe einer überreifen Erdbeere. Er musste etwa hundert Mückenstiche haben. Noch immer roch er nach Fisch, und ich hätte schwören können, dass einige Innereien von seiner Mütze baumelten.
Er hörte gar nicht auf, mich anzustarren. Ich fragte mich, ob ich wohl die erste Nicht-Weiße sein mochte, die dieses Jahr durch diese Tür gekommen war.
»Entschuldigen Sie … «, begann er.
»Ich stamme aus Ägypten«, sagte ich, um der üblichen Frage nach meiner Herkunft zuvorzukommen. Da sie mir in Milwaukee oft gestellt wurde – einer Stadt, in der etwa vierzig Prozent der Einwohner Afroamerikaner waren –, war ich sicher, dass sie hier erst recht zu hören sein würde.
»Oh. Äh. Gut. Ist das nicht nett? Ich wollte sagen, Sie haben da etwas hinter dem Ohr.« Er zeigte mit dem Finger darauf. Ich klaubte einen Klumpen Draugr-Matsch von meinem Hals und wischte ihn an der Jeans ab. »Pferdebremse«, sagte ich und hoffte inständig, dass es die in dieser Gegend auch gab.
»Mistviecher«, murmelte der Mann und spuckte einen braunen Schwall Tabaksaft in eine Tasse neben seinem Ellbogen.
Es war mir ein bisschen peinlich, dass ich geglaubt hatte, der Mann würde mich auf meine Hautfarbe ansprechen. Mein Leben lang war ich danach gefragt worden, und ich hatte es immer gehasst. Nicht etwa, weil ich nicht als Afroamerikanerin betrachtet werden wollte, Ruthie war ja immerhin eine, und ich wollte nichts lieber, als genau so zu sein wie sie – bis ich es
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