Die Phoenix Chroniken: Fluch (German Edition)
verschwand er zwischen den Bäumen.
Ich ging den Weg zurück, den ich gekommen war, stieg erst den Berg und dann den Kamm hinab, fuhr am Haus der Eigentümerin vorbei, um ihr Bescheid zu geben, dass ich weder in eine Schlucht gefallen war noch mir das Genick gebrochen hatte. Ich spielte mit dem Gedanken, im selben Motel zu übernachten, in dem ich die letzte Nacht verbracht hatte, um frisch in den neuen Morgen zu starten. Aber es würde noch einige Stunden hell sein, und so steuerte ich den nächsten größeren Flughafen in Cheyenne an.
Ich musste Summers Wagen auf einem Dauerparkplatz abstellen. Wahrscheinlich würde es ein Vermögen kosten, nach New Orleans zu fliegen und dort einen neuen Wagen zu mieten, aber ich hatte einfach nicht die Zeit, durch ganz Mississippi zu fahren, so gern ich das auch getan hätte.
Um etwas gegen meine unruhigen Hände zu tun, umklammerte ich das Steuer so fest, dass sie schmerzten. Ich atmete tief ein und aus, bis mein rasender Herzschlag wieder einen vernünftigeren Rhythmus annahm.
Es gab also einen Zauber, der die Toten wieder zum Leben erweckte. Ich wusste noch immer nicht, was ich davon halten sollte.
Meine erste Reaktion – dass es keine gute Idee war – war vermutlich ganz richtig. Allerdings hatte Sani gesagt, ich würde Sawyer brauchen, und eines hatte ich in den letzten Monaten gelernt: Wenn ein Zauberer etwas vorhersagte, dann hatte er oder sie damit in der Regel auch recht.
Ich verbrachte die Fahrt von über vier Stunden damit, mich per Handy zurückzumelden. Wie gewöhnlich nutzte Megan die Rufnummernanzeige, um eines ihrer Lieblingsärgernisse zu umgehen: das Wörtchen Hallo.
»Wo bist du? Was machst du? Wie geht es dem Baby?«
»Wyoming, Auto fahren und ich habe keine Ahnung.«
Stille lag in der Leitung, während sie offenbar überlegte, welche Antwort sie zuerst kommentieren sollte.
»Wo ist Faith?«
»Bei Jimmy, Summer und Luther.«
»Und warum weißt du nicht, wie es ihr geht?«
»Weil ich so dumm war, dich als Erste anzurufen.«
»Liz«, sagte sie ärgerlich, »Mütter erkundigen sich zuerst nach ihren Kindern, bevor sie irgendjemand anderen anrufen.«
»Ich bin ja auch nicht ihre Mutter«, sagte ich scharf. Mein Magen flatterte, mir wurde eng um die Brust. Ich hatte selbst nie eine Mutter gehabt und hatte also auch keine Ahnung, wie ich für jemand anderen eine sein sollte. Faith verdiente jedenfalls etwas Besseres.
»Nur, weil du sie nicht geboren hast, heißt das doch noch nicht, dass du ihr nicht eine fantastische Mutter sein könntest«, murmelte Megan.
»Ich bin nicht Ruthie.« Eine Tatsache, die ich mit nervtötender Regelmäßigkeit immer wieder unter Beweis stellte.
»Das Kind braucht wenigstens einen Elternteil. Du hast versprochen, dich um sie zu kümmern, und damit bist du dieser Elternteil.«
»Und wenn ihre richtige Mutter auftaucht?« Und sich als knochenmarksaugender Troll entpuppte?
»Das kannst du dann sehen, wenn es so weit ist.«
»Wahrscheinlich.« Notiz an mich: nachschlagen, wie man knochenmarksaugende Trolle tötet.
Einige Sekunden lang herrschte Stille, dann sagte Megan sanft: »Ich habe bemerkt, wie du sie ansiehst, Liz. Wie du sie im Arm hältst.«
»Als würde ich sie gleich fallen lassen?«
Ein verärgertes Seufzen drang über all die Kilometer hinweg an mein Ohr. »Du weißt doch ganz genau, dass deine arschcoole, einsame Dämonenjäger-Nummer bei mir nicht zieht, oder?«
Ich antwortete nicht, denn, o ja, ich wusste es wirklich ganz genau.
»Das Baby hat dich um den kleinen Finger gewickelt. Und du warst hin und weg. Genau wie bei Luther.«
Ich schluckte. Ganz hinten in meiner Kehle schmeckte meine Angst wie Asche. Genau das nämlich würde aus Faith und Luther werden, wenn die Nephilim herausfanden, dass sie mir etwas bedeuteten.
»Du irrst dich«, sagte ich.
»Natürlich.«
»Also, ist alles okay bei dir?«, fragte ich.
»Bestens«, blaffte sie. »Das Geschäft läuft, meinen Kindern geht es gut.«
»Wie geht es Quinn?«
»Quinn? Dem Kellner?«
Unter anderem, dachte ich.
»Ja, genau dem«, sagte ich.
»Gut, glaube ich. Er kommt pünktlich zur Arbeit. Lässt zwar eine Menge fallen, aber er bezahlt es immer.«
Würde Megan jemals Augen für einen anderen Mann als Max haben? Sollte sie das überhaupt? Die Antwort auf diese Fragen kannte ich genauso wenig wie die auf eine Menge anderer.
»Warum bist du in Wyoming?«, fuhr Megan fort.
Die Begründung wäre zu kompliziert gewesen, und je weniger
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