Die Phoenix Chroniken: Fluch (German Edition)
dass sie Reißzähne hatte, größer als bei diesem hier.
Sie rieb sich den Hals, die Augen lagen dunkel in ihrem übermäßig gepuderten Gesicht. »In dieser Gegend kann man nicht vorsichtig genug sein.«
Ich spitzte die Ohren. »Ist hier in letzter Zeit etwas Seltsames passiert?«
Sie verdrehte die Augen. »Das hier ist New Orleans.«
»Stimmt.« Hier passierte jeden Tag etwas Seltsames. »Tut mir leid«, sagte ich wieder.
»Vergiss es.« Sie schlüpfte in einen Hof. Das Tor fiel laut scheppernd ins Schloss. Dann war ich allein. Wieder einmal.
In meinem Zimmer schaltete ich den Strom ab und öffnete die Balkontür. Die Nacht hatte eine Brise gebracht und einen breiten, gewölbten Streifen Mondlicht. Beides ergoss sich in mein Zimmer, das eine träge und heiß, das andere wie kühles, flüssiges Silber. Ich zog meine Kleider aus, berührte den Nacken und verwandelte mich.
Gleißendes Licht, Kälte und Hitze, mein Körper verzog sich und nahm eine andere Form an. Ich spürte einerseits den Schmerz der Verwandlung, andererseits die Freude, neu zu entspringen. Schon im nächsten Augenblick konnte ich fliegen.
Ich glaubte kaum, dass jemand einen riesigen, bunten Vogel bemerken würde, der über die Bourbon Street segelte. Am Boden gab es Spannenderes zu entdecken. Und selbst wenn jemand zufällig aufsah und mich entdeckte, würde er es auf den Bourbon schieben.
Ich segelte aus New Orleans heraus, folgte einfach dem Geruch nach Brackwasser, Zypressen und Verwesung. Der Honey-Island-Sumpf war dreißigtausend Hektar groß, mehr als die Hälfte davon war staatliches Naturschutzgebiet. Es wäre ganz unmöglich gewesen, dieses Gelände zu Fuß nach einer verlassenen Kirche an einer Kreuzung abzusuchen.
Selbst mit Flügeln brauchte ich fast die ganze Nacht, ich flog hin und her, in einem engen Gittermuster von einer Ecke zur anderen, damit ich nichts übersah. Es gab zahllose kaputte Häuser – nicht nur im Sumpf, sondern überall in New Orleans –, und beim Landen stellte ich fest, dass viele von ihnen sogar noch bewohnt sein mussten und keines davon eine Kirche war.
Ich stand kurz davor aufzugeben. Die Sonne hatte gerade angefangen, den Horizont im Osten zu erhellen und das Blauschwarz der Nacht in ein diesiges Violett zu verwandeln, da erblickte ich einen schiefen Glockenturm und schoss wie der Phönix, der ich war, im Sturzflug in den Wald hinab.
Als ich noch etwa zehn Meter von der Stelle entfernt war, ertönte ein Kreischen, so laut und entsetzlich, dass ich die Orientierung verlor und mitten in das Louisiana-Moos flog, das von einer Zypresse herabhing. Die feuchten, muffigen Ranken schlossen sich um meine leuchtend bunten Flügel und klebten wie Spinnweben daran.
Gefangen und in Panik spie ich Feuer aus meinem Schnabel, und nur wenige Augenblicke, bevor ich zu Boden gefallen wäre, löste sich das Moos in Nichts auf.
Doch ich war noch nicht in Sicherheit. Die Schreie dauerten an, und dunkle Kreaturen, die wie riesige, prähistorische Fledermäuse aussahen, kamen aus dem Glockenturm gesegelt. Von der Größe her hätten sie Pterodactylen sein können, wenn die nicht ausgestorben gewesen wären. Aber ausgestorben bedeutete in letzter Zeit auch nicht mehr dasselbe wie früher.
Mein Feueratem überrollte ihre dunklen, ätherischen Körper und ließ sie, über und über mit winzigen, orangefarbenen Lichtern überflutet, wie Halloween-Dekoration aussehen. Dann erlosch das Feuer mit einem Puff, und sie kamen näher. Ich bereitete mich auf den Aufprall vor, doch eines der Viecher flog einfach durch mich hindurch. Ich hätte es für einen Geistervogel gehalten, wenn ich nicht gespürt hätte, wie seine Klauen über meine Eingeweide kratzten und sein Schnabel an meiner Leber pickte. Es fühlte sich an, als würde ich von innen auseinandergerissen werden. Zwei von ihnen flogen neben mich, eines auf jeder Seite, und bei jeder Berührung loderte Schmerz auf, als wären ihre Flügelspitzen mit Rasierklingen besetzt.
Ich trudelte zur Erde, wurde im Fallen immer schneller, und diese entsetzlichen, geflügelten Kreaturen folgten mir. Sie kreischten so laut, dass ich schon glaubte, meine Trommelfelle würden platzen und bluten. Mit einem heftigen, dumpfen Schlag kam ich auf dem Boden auf, und endlich umfing mich gesegnete Stille.
Ich erwachte als Frau; gleißendes Sonnenlicht schmerzte in meinen Augen. Ich stöhnte und legte mir den Arm übers Gesicht. Überall tat es weh.
»Scheiße, was war das?«, murmelte
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