Die Phoenix Chroniken: Fluch (German Edition)
ich.
»Dämonen der Nacht.«
Hastig setzte ich mich auf und zuckte zusammen, weil sich in meinem Kopf alles drehte. Ich presste mir den Handballen gegen die Stirn, um zu verhindern, dass mir der Kopf abfiel.
Ein Mann lehnte im verfallenen Eingang der Kirche. Er war groß und muskulös, sein Oberkörper war nackt und seine rötlich braune Haut glänzte in der Sonne. Auf den ersten Blick dachte ich, sein ebenholzfarbenes Haar sei extrem kurz geschnitten, doch als er sich dann bewegte und sich vom Türbogen abstieß, konnte ich die Kopfhaut zwischen den winzigen geflochtenen Zöpfen aufblitzen sehen. Die Windungen schienen ein Muster zu bilden. Doch von meinem Standort aus konnte ich nicht erkennen, um was es sich handelte.
Die Kirche stand an einer Kreuzung, doch war es keine, nach der ich gesucht hätte. Für mich gehörte zu einer Kreuzung immer irgendeine Art von Straße – gepflastert oder zumindest mit Schotter bedeckt. In diesem Fall waren die Straßen jedoch Wasserläufe, und die Kirche stand auf einem kleinen Stück Land zwischen einem Trampelpfad und einem Bach, der so schmal war, dass gerade mal ein Kanu darin fahren könnte.
»Du bist wegen des Buches hier«, sagte der Mann mit einem melodischen Akzent, der eine Mischung aus Französisch und Jamaikanisch sein musste.
»Ich … äh … « Sollte ich nun lügen oder nicht? Da war ich mir nie ganz sicher.
»Die Dämonen der Nacht wissen es. Sie greifen nur diejenigen an, die Böses im Schilde führen.«
»Und wer sollte das sein?«
»Meistens Nephilim.«
»Die Nephilim versuchen, das Buch Samyaza zu stehlen?« Warum sollte ich so tun, als hätte ich keine Ahnung, worum es ging – wenn er ohnehin wusste, dass das nicht stimmte?
Er legte den Kopf schief. »Wer das Buch besitzt, wird der Herrscher über diese Welt und über die nächste sein.«
»Und warum bist du es dann nicht?«
»Ich beschütze das Buch, bis unser Prinz kommt.«
»Soweit ich gehört habe, sind alle Dämonen wieder in die Hölle geschickt worden.«
Er zuckte die Achseln. »Es wird ein nächstes Mal geben.«
Da hatte er leider recht. Das Jüngste Gericht, das Armageddon, die Apokalypse, all das war unausweichlich. Wir konnten nichts dagegen tun, außer es aufzuhalten, bis wir besser darauf vorbereitet waren zu siegen.
Er legte den Kopf schief. »Warum solltest du froh sein, dass die Grigori zurückgeschickt wurden? Du bist doch ebenso ein Nephilim wie ich.«
Ich hätte es auch ohne sein Geständnis gewusst. Ich spürte ein Summen in der Luft, ein Surren, von dem meine Zähne schmerzten und das geradezu schrie, dass sich Böses in der Nähe befand. Er war von einer so abgrundtiefen Finsternis umgeben, dass ich sie fast wie Rauch um ihn herumschweben sah.
Da ich nicht vorhatte, mich zu rechtfertigen – weder vor ihm noch vor sonst jemandem –, ignorierte ich seine Frage und wiederholte stattdessen meine eigene: »Warum beschützt du das Buch für jemand anderen, wenn du doch selbst der Prinz werden könntest, Herrscher über alles, so weit das Auge reicht?«
»Jeder von uns hat seine Rolle zu spielen. Einer der Gründe, warum wir noch nicht gewonnen haben, ist der, dass wir uns gegenseitig ebenso erbittert bekämpfen, wie wir auch das Licht bekämpfen. Ich habe vor langer Zeit versprochen, das Buch Samyaza für den Zeitpunkt aufzubewahren, wenn der Prinz kommt.«
Ein Nephilim, der sein Wort hielt. Die Welt stand wirklich kurz vor dem Untergang.
»Was bekommst du dafür?«
Er lächelte. Ein leuchtend weißes Blitzen in seinem gut aussehenden dunklen Gesicht. »Alles, was ich mir wünsche.«
Sein Blick wanderte von meinen höchstwahrscheinlich zerzausten Haaren bis zu meinen – huch! – nackten Füßen. Ich war am ganzen Körper nackt, und nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, störte ihn das ganz und gar nicht.
»Komm näher«, murmelte er mit einem hypnotisierenden Singsang in der Stimme, der mich zwang zu gehorchen.
Ich tat einen Schritt auf ihn zu, bevor ich mich wieder unter Kontrolle hatte. »Was bist du?«
»Mait. Herrscher über die Dämonen der Nacht.«
»Das erklärt, warum sie dir nicht die Scheiße aus dem Leib picken, sobald du in die Nähe des Buches kommst.«
»Ich bin ihr Gott.«
Das gefiel mir nun überhaupt nicht. Herrscher und Gott. Ich musste das Buch aus seinen Fängen bekommen, und zwar schnell. Egal, was Mait auch sagte, es war nur eine Frage der Zeit, bis er es satthatte, auf den Prinzen zu warten, und stattdessen
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