Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)
dieser Verrat verletzen würde. Sie hatte kaltblütig geplant, wie sie mich am besten gegen jemanden aufbringen konnte, der mich ebenso gebraucht hätte wie ich ihn. Und er hatte sich damit einverstanden erklärt.
Aber für die Welt tun wir doch alles, oder?
28
I ch knallte mit solcher Wucht zurück in meinen Traumkörper, dass ich auf allen vieren landete. Jimmy saß noch haargenau so da wie vor meinem Verlassen .
„Hast du nun gesehen, was du sehen wolltest?“, fragte er.
Aus seiner Stimme klang die reine Neugier. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was ich herausgefunden hatte. Und so sollte es auch lieber bleiben.
Meine dringlichste Frage war, warum er mich damals mit achtzehn Jahren verlassen hatte. Wie armselig. Beinahe so armselig wie sein Verhalten, einfach zu gehen, nur weil es ihm befohlen wurde.
Ich versuchte, die Wut hinunterzuschlucken. Er ist damals achtzehn Jahre alt gewesen, wie ich auch. Lange vor mir war er in die Föderation gedrängt worden. Sich selbst überlassen. Allein und haltlos. Ich wäre ihm keine Hilfe gewesen. Hätte uns beide nur ins Grab gebracht.
Dass Ruthie mit ihrer Einschätzung richtig gelegen hatte, stimmte mich ihr gegenüber auch nicht milder.
Aber eins nach dem anderen. Ich musste dringend in Erfahrung bringen, wohin Summer Jimmy verschleppt hatte. Dass ich bislang nicht aus seinen Träumen zurück in meinen kalten, halbtoten Körper in Indiana gefallen war, bedeutete doch, dass mir noch Zeit blieb, die Antwort auf Meine-dringlichste-Frage-zweiter-Teil zu entdecken.
„Lizzy?“
Ich hob den Kopf und berührte mit der Nase sein Knie. Sein Duft – Wasser, Seife und Zimt – überflutete mich, und Tränen stiegen mir in die Augen. So viel Liebe, Leid und Verlust. Wir richteten uns beide gleichzeitig auf. Ich legte meine Hand auf seine Brust und spürte sein Herz schlagen. Dabei wurde mir bewusst, dass meines nicht schlug.
Oh, oh.
Ich sollte wohl schleunigst das tun, weswegen ich hergekommen war, um dann wieder zu verschwinden. Wie genau das alles vonstattengehen sollte, wusste ich nicht, aber ich hatte das Gefühl: Sobald mein Körper wieder genesen war, würde ich hier schneller herausgerissen werden, als ich hereingeschneit war.
Jimmy legte seine Hand auf meine. Er fühlte sich so warm an, dass ich mich am liebsten in ihm vergraben und mich seiner Wärme und seinem Duft hingegeben hätte. Jetzt, da ich das Geheimnis der verschlossenen Tür kannte, öffneten sich mit einem Mal viele andere Türen. Wie zum Beispiel die, die ich an jenem Tag geschlossen hatte, an dem ich ihn mit ihr sah.
Scheiße.
Mit erhobenem Kopf und Kussmund war ich nach vorne gedriftet. Nun machte ich mich steif und wich zurück, er ließ mich gehen.
„Was hast du gesehen?“, fragte Jimmy.
„Nicht viel drin in der Birne.“ Ich klopfte ihm auf den Kopf.
„Haha.“
Bei meinem Versuch, witzig zu sein, entspannte er sich zusehends. Offenbar ging er davon aus, dass ich nicht gesehen hatte, was er vor mir zu verbergen suchte. Sonst wäre ich wohl kaum in der Lage gewesen, Scherze zu machen.
Jimmy kannte mich wahrlich nicht mehr sehr gut. Kannte mich denn überhaupt noch jemand?
Ich ging zum Fenster. Die Gitter waren aus Gold, das mussten sie auch sein. Alles andere hätte Jimmy herausreißen können, obwohl er sicherlich Probleme hätte, durch die schmale Öffnung zu gelangen. Schließlich war er kein Gestaltwandler wie ich.
Der Mond, der noch kurz zuvor ins Zimmer geschienen hatte, war verschwunden. Noch war die Sonne nicht aufgegangen, es herrschte Dunkelheit. Ich brauchte bloß Jimmy zu fragen, wo er war, und er würde es mir verraten. Ihm blieb gar nichts anderes übrig, immerhin war ich in seinem Kopf. Dennoch zögerte ich. Wenn ich erst gefragt, wenn ich es gewusst hätte, so würde ich herkommen und ihm wehtun.
Lautlos bewegte er sich hinter mir, aber ich spürte seine Gegenwart. Immer. Wir hatten eine Verbindung, die nichts und niemand zerstören konnte.
Außer mir selbst.
Er legte mir die Hände um die Taille. Ich spürte seine Lippen auf meinem Haar, seinen Atem an meinem Ohr. Nur einen kurzen Augenblick lang lehnte ich mich an ihn. „Es scheint dir besser zu gehen“, flüsterte ich.
„Stimmt nicht.“
Sollte ich darüber nun froh oder traurig sein?
„Ich stehe unter Summers Zauber.“
Bei der Erwähnung ihres Namens versuchte ich ruhig zu bleiben. Letztlich war das alles ja gar nicht ihre Schuld gewesen. Dass sie sich nun ausgerechnet auch noch in Jimmy
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