Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)
grapschte – und er würde nach mir grapschen, dazu musste man nicht hellsehen können – , wollte ich ihm ins Gesicht sehen. Mir wurde schlecht bei dem Gedanken, dass mich diese harten, knubbeligen Hände von hinten packen könnten.
Ich hätte mich nicht so fürchten sollen. Schließlich bin ich schon zuvor belästigt worden, und zwar viele Male. Bin von neuen Brüdern , Vätern und in einem Fall selbst von einer neuen Schwester befummelt worden. Um mich zur Wehr zu setzen, brauchte ich ihnen lediglich ein Geheimnis aus dem Kopf zu pflücken. Dann ließen sie mich nicht nur sofort gehen, sondern sorgten auch dafür, dass ich nicht länger bei ihnen wohnte.
Aber Mr Nix war ein Lehrer, und auch wenn er mich des Öfteren schon mit seinen zu häufigen oder zu ausgedehnten Blicken nervös gemacht hatte, so hatte ich doch vermutet, dass er wegen meines Familienhintergrunds einfach nur neugierig war. Das waren viele Leute. Aber hiermit hatte ich nicht gerechnet.
Für einen großen Mann – mindestens eins achtundneunzig – bewegte er sich geschwind. Und als er mich schnappte, blieb mir keine Zeit mehr wegzurennen, geschweige denn überhaupt daran zu denken.
Sobald wir Hautkontakt hatten, hörte ich Musik. Laut, seltsam, befremdlich. Keine Polka – immerhin hatte ich schon mehr als eine Minute in Milwaukee verbracht. Eine Polka hätte ich erkannt, aber es klang ähnlich. Die gleichen Instrumente, nur ein anderer Rhythmus.
Den Klängen folgten die Bilder auf dem Fuße – Weiher, Teiche, Bäche und Flüsse. Mädchen über Mädchen, die tot auf dem Wasser trieben, und Rückblenden: was er ihnen angetan hatte, bevor er sie in die Fluten geworfen hatte.
Mit seiner fleischigen Hand riss er mein T-Shirt entzwei. Schon mit dreizehn war ich voll entwickelt gewesen, meine Brüste quollen förmlich aus dem BH, der mir nur einen Monat zuvor noch einwandfrei gepasst hatte.
„Ich spiele gerne noch ein Weilchen“, murmelte er, seine trüben blauen Augen wanderten langsam über meine dunkle Haut. „Spielen, spielen, spielen.“
Mit seinen zwei bleichen Zeigefingern fuhr er mir über die Wölbungen bis zu den Brustwarzen, in die er tückisch kniff. Ich schlug ihm das Knie so heftig in die Eier, dass sein Schwanz Bekanntschaft mit seinem Kehlkopf machte.
Anstatt aber zu Boden zu gehen, blähte er die Nasenlöcher auf wie ein Bulle, dann breitete er die Arme zu einer gigantischen Umarmung aus. Ich duckte mich und er knutschte den Spind.
So schnell wie er mich beim ersten Mal gepackt hatte, rechnete ich nicht damit zu entkommen. Doch lag es keineswegs in meiner Natur, einfach dazustehen und die Dinge über mich ergehen zu lassen. Als er das Gleichgewicht verlor, rannte ich los.
„Wer, glaubst du eigentlich, bist du?“, schrie er heiser. Durch den Schmerz hörte man seinen Akzent noch deutlicher. „Niemand. Und das bleibt auch so. Erst töte ich dich, dann fick ich dich. So herum ist es auf jeden Fall besser.“
Vor dem Umkleideraum knallte ich direkt in Jimmys Arme.
Ich schrie auf, er aber legte mir eine Hand über den Mund. Seiner Mimik nach hatte er zumindest den letzten Teil meiner Unterredung mit Nix mitbekommen. Er war außer sich und einen Moment lang befürchtete ich, er würde sich in die Umkleide stürzen und …
Keine Ahnung, was danach kommen sollte. Mit seinen dreizehn Jahren war er noch nicht ausgewachsen gewesen. Einen so massiven Körper wie Mr Nix würde er allerdings auch nie bekommen.
Wenn er diesem viel größeren Mann die Stirn bieten wollte, würde Sanducci verletzt werden, vielleicht sogar sterben. Und alles bloß wegen mir! Und wenn ich ihm auch schon gelegentlich gesagt hatte, eigentlich erst heute Morgen, er solle tot umfallen – oder war es vielleicht noch etwas ausgefallener wie friss Scheiße und fall tot um –, so hatte ich es natürlich nie so gemeint.
„Komm“, sagte er und nahm mich bei der Hand. In seinen Augen glomm die Wut, er zog mich aus der nächsten Tür hinaus in die Nacht.
Ich zitterte, und zwar nicht bloß, weil mein T-Shirt in Fetzen hinunterhing oder etwa weil mich mein Mathelehrer gerade belästigt hatte, sondern auch, weil es Frühling war – in Milwaukee – und sich in den Einfahrten, Vorgärten und Straßenecken noch immer der Schnee türmte. Hier und da hatten sich ein paar Narzissen ihren Weg durch das noch halb gefrorene Erdreich gebahnt. Wegen der weißen Kleckse ringsum schienen ihre gelben Blütenblätter noch heller zu leuchten.
Nur kurz nachdem das
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