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Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)

Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)

Titel: Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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Silbermesser in Sanduccis Hand aufgetaucht war, schnappte auch schon die Klinge geschmeidig auf. Von dem Messer, in dem sich das Licht der fernen Straßenlaterne fröhlich spiegelte, wandte ich den Blick zu Jimmy. Und was ich in seinem Gesicht sah, das ließ mich noch mehr erzittern.
    Wir hielten uns an die Seitenstraßen, die Hinterhöfe, an die Schatten. Von einem Verfolger war nichts zu hören – so blöd konnte der Typ doch auch nicht sein, oder? Natürlich hatte er keine Ahnung von Jimmy und seinem Lieblingsmesser.
    Ein paar Hunde bellten, ein paar Lichter gingen an, während wir durch die Hinterhöfe schlichen, doch eine halbe Stunde später nur standen wir in Ruthies leerer Küche. Ich hatte gehofft, mich nach oben schleichen zu können, ein- oder auch zehnmal kochend heiß zu duschen, meine Sachen zu verbrennen und so zu tun, als wäre nichts geschehen. Aber sobald die Tür hinter uns ins Schloss fiel, schrie Jimmy: „Ruthie!“
    „Bist du verrückt?“
    Als ich mein zerfetztes T-Shirt an die Brust presste, sah er zu Boden. „Du etwa?“
    Ruthie kam herein und warf einen einzigen Blick auf meine zerrissenen Sachen, die wütenden roten Striemen, die meine Haut verunstalteten, und schloss mich dann erst einmal in die Arme, bevor sie mich nach oben scheuchte. Kurz zuvor drehte ich mich noch einmal zu Jimmy um, aber der war bereits verschwunden.
    Ich flehte Ruthie an, die Polizei nicht einzuschalten. Mein Wort gegen seines. Ich wusste genau, wie das ablaufen würde. Und Ruthie ebenfalls. Bedächtig nickte sie, und dann brachte sie mich ins Bett.
    Am nächsten Tag erschien Mr Nix nicht in der Schule. Auch nicht am übernächsten Tag oder überhaupt jemals wieder.

 
    32
    D u hast ihn umgebracht“, sagte ich. „Mr Nix.“
    Gleichmütig zuckte Jimmy die Achseln. Dabei spielten seine Muskeln verführerisch unter seiner glatten, weichen Haut. „Er ist dir an die Wäsche gegangen.“
    „Mein Gott, Jimmy“, murmelte ich. „Wenn es darum ginge, müsstest du ja eine Menge Typen umbringen.“
    „Und das habe ich auch getan“, sagte er leise. „Habe eine Menge Typen umgebracht.“
    Ich kniff die Augen zusammen und sah in sein allzu regloses Gesicht. „Wie viele davon waren tatsächlich Menschen?“
    „Ein paar.“
    „Und Mr Nix. Was war der für einer?“
    „Ein Nix ist ein deutscher Gestaltwandler. Pferd, Schlange, Fisch oder Meerjungfrau.“
    „Wassermann“, korrigierte ich ihn geistesabwesend.
    „Was auch immer. Den Legenden zufolge schlafen sie mit ihren Opfern und ertränken sie dann im nächsten Gewässer.“
    Wahrscheinlich war das auch die Erklärung für die Bilder, die ich gesehen hatte. Viele tote Mädchen im Wasser. Und wenn Jimmy nicht gewesen wäre, hätte ich mich zu ihnen gesellt.
    Im Geiste hörte ich noch einmal das Schwirren seines Messers. „Du hast ihn getötet“, sagte ich, „und er wurde zu Asche.“
    „Das würde auch sein Verschwinden erklären.“
    „Du hast nicht hingesehen?“
    „Ich habe auf ihn eingestochen und bin weggerannt. Ich bin doch nicht blöd. Der Typ war ein Schrank.“
    Ich runzelte die Stirn. „Du hast es nicht gewusst?“
    „Dass er ein Wandler war? Da noch nicht.“
    Also hatte Jimmy geglaubt, einen Mann getötet zu haben. Einen Sittenstrolch zwar, aber einen Menschen.
    Jimmy las mir meine Gedanken vom Gesicht ab. „Er hat dir wehgetan, er ist gestorben. Ende der Geschichte.“
    Es gab nichts, was ich darauf erwidern konnte. Nix war ein Dämon gewesen; dass Jimmy es damals nicht gewusst hatte, änderte nichts an dieser Tatsache und auch an dem nicht, was er neben mir noch anderen Mädchen angetan hatte und unzähligen noch angetan hätte, wenn Sanducci nicht eingeschritten wäre.
    „Wie kommt es, dass du es nicht gewusst hast? Warum hat Ruthie es nicht gewusst?“
    „Seher können nicht alle Dämonen sehen. Ihr würdet ja bekloppt werden.“
    Waren wir das denn nicht auch?
    „Es gibt einfach zu viele davon“, sagte Jimmy. „Wir tun unser Bestes.“
    Zwischen uns trat Stille ein. Doch sie hielt nicht lange an.
    „Hasst du mich jetzt?“, fragte Jimmy.
    Jahrelang hatte ich ihn gehasst, aber dafür nicht.
    Ich näherte mich ihm, schlang die Arme um seine Taille, obwohl er doch eigentlich hatte fliehen wollen. Nur gab es eben keine Fluchtmöglichkeit. Dann legte ich meine Wange an seine Brust und lauschte dem vertrauten Schlag seines Herzens. „Ich hab schon seit Jahren gewusst, dass du ihn umgebracht hast, und ich habe ihn auch für einen Menschen

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