Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)
musste, und dann war es schon um mich geschehen. Und in den Sekunden danach sah ich alles, was ich wissen musste.
14
J immy befand sich tatsächlich in New Mexico, in einem Hotel, das unserem praktisch wie ein Klon glich. Durch das offene Fenster hinter ihm konnte ich zwei Schilder erkennen – Billigbetten.de – möchte man sich bei so einem Namen nicht gleich in die Laken kuscheln? – und Interstate 25 .
Es war mitten am Tag, und Jimmy las in der Red Rock Sentinel . Die Zeitung schien ihn sehr zu interessieren.
„Freitag“, flüsterte er und lächelte dann. Seine verdammten Reißzähne waren ausgefahren, die Pupillen funkelten im Sonnenlicht rot. Natürlich könnte ich behaupten, er sähe nicht aus wie er selbst, aber da würde ich lügen. Die neue und nicht gerade verbesserte Version von Jimmy Sanducci sah ganz genau so aus.
Er legte die Zeitung auf den Tisch, meine Augen huschten über jede Anzeige und jeden Artikel. Von Freitag war nur ein einziges Mal die Rede, und zwar im Zusammenhang mit einer Wandervorstellung.
Extravaganza – Zigeuner, Zirkus, Zukunft.
Toll. Da war ja für jeden etwas dabei.
Was aber sprang für Jimmy dabei raus? Diese Frage weckte bei mir sehr, sehr ungute Gefühle.
Da ich meine Robe im anderen Zimmer gelassen hatte, wickelte ich mich schnell in ein Handtuch ein, raste durch die Tür und schnappte mir mein Handy.
Saywer guckte den Jagen-Fischen-Töten-Kanal und würdigte mich kaum eines Blickes. Wahrscheinlich wusste er, dass ich den nächstbesten Gegenstand nach ihm werfen würde, wenn er mir jetzt in die Quere kam. Als Mann konnte er einen zur Weißglut treiben, aber als Wolf war er recht gelehrig.
Summer ging ans Telefon, und dafür, dass der Tag im Westen noch lange nicht angebrochen war, hörte sie sich zu wach und quietschfidel an – wann eigentlich mal nicht? „Ich bin froh, dass du anrufst.“
„Hast du ihn gefunden?“
Das wäre ja auch zu viel verlangt, dass sie Jimmy bereits eingefangen und … An dieser Stelle endeten meine Gedanken. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie sie ihn dazu bringen könnte, seine Selbstmordpläne aufzugeben.
„Nein. Ich bin über die Berge geflogen, aber da waren sie nicht, also warte ich jetzt bei Saywer.“
„Vergiss es. Er ist hier bei mir.“
„Saywer. Aber wie …?“
„Was hat vier Beine und heult den Mond an?“
„Oh. Aber warum …“
Schnell brachte ich sie auf den neuesten Stand.
„Sag bloß Jimmy nicht, dass er hier ist“, schloss ich meinen Bericht.
„Für wie bescheuert hältst du mich eigentlich?“
„Darauf möchtest du bestimmt keine ehrliche Antwort.“
Am anderen Ende der Leitung hörte ich ein leises Lachen, und ich selbst musste auch grinsen. Manchmal ging es mir mit Summer fast so wie mit Megan.
Oh, Scheiße … ich rieb mir die Stirn. Auch Megan musste ich unbedingt anrufen.
„Mach dich nach Red Rock auf“, fuhr ich fort. „Kennst du das?“
„Ein kleiner Ort in der Nähe von Las Cruces. Ist Jimmy da?“
„Ja.“
Ich wartete ihre Frage, woher ich das denn wusste, gar nicht erst ab, sondern gab einfach weiter Anweisungen, darin war ich echt gut.
„Er will sich am Freitag so eine Show ansehen.“ Nachdenklich runzelte ich die Stirn. „Was, zum Teufel, haben wir heute für einen Tag?“
„Freitag.“
„Scheiße.“
„Entspann dich. In null Komma nichts bin ich in Red Rock.“
Schließlich konnte sie fliegen.
„Was für eine Show ist das denn?“, fragte sie. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er die neueste Tourproduktion von König der Löwen sehen will.“
„Eine Zirkusveranstaltung. Mit Zigeunern.“
In der Leitung herrschte Stille, und jetzt hatte ich ein wesentlich schlechteres Gefühl als vorhin.
„Was ist denn an Zigeunern so schlimm?“, fragte ich.
„Das weißt du nicht?“
Ich wollte nicht schon wieder erklären, wie wenig ich wusste und wie bestürzend ungeeignet ich war, unsere Truppen im Kampf gegen Armageddon, gegen die Apokalypse, den Jüngsten Tag und die Endzeit überhaupt anzuführen. Wie immer man es auch nennen mochte, ich war ja so was von gar nicht vorbereitet. Zum Glück nahm mir Summer die Erklärerei ab.
„Zigeuner wissen alles über Dhampire, auch wie man sie tötet.“
„Erst einmal … Zigeuner gibt es noch?“
„Italiener, Navajos, Iren und alle anderen Nationalitäten gibt es doch auch noch. Warum sollte das bei den Zigeunern anders sein?“ Sie hielt inne. „Na ja, anders sind sie schon. Auch wenn sie sich bereits
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