Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)
nehmen wollte. Sie war da, sie würde ihn retten – und dafür sollte ich ihr dankbar sein.
Die goldenen Fesseln waren verschlossen. Ich erwartete, dass Summer nach dem Schlüssel verlangen oder einen der Zigeuner bitten würde, Jimmy freizulassen. Stattdessen feuerte sie ihren Feenstaub ab, und die Ketten gingen mit einem dumpfen Aufprall zu Boden. Dieser Staub gefiel mir immer besser.
Jimmy war noch bewusstlos. Seine aufgeplatzte Lippe wirkte bereits geheilt, aber sein schwarzes T-Shirt triefte vor Blut.
Summer gab ihm einen leichten Klaps auf die Wange. „Jimmy?“
Keine Reaktion. Diesmal schlug sie fester zu. „Jetzt aber. Verdammt.“
Ihre Stimme zitterte. Sie schäumte vor Wut.
Als er immer noch nicht zu sich kam, schnappte sie sich einen der Eimer und goss ihm Wasser über den Kopf. Er bekam etwas davon in die Nase und wachte hustend auf.
Mit einer Hand griff er sich an die Brust, die höllisch wehtun musste. Er starrte auf das Blut an seiner Hand, dann blickte er zu Summer auf. Seine Lippen wurden ganz schmal – und mit wütendem Gebrüll und blitzenden Reißzähnen schoss er aus dem Stuhl hoch. Summer schnippte mit den Fingern, und nach einer Handvoll Feenstaub wurde Jimmy so friedlich wie die Zigeuner.
Wie hatte sie das nur gemacht? Eigentlich sollte ihr Zauber bei uns doch gar nicht wirken.
Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn zur Zeltöffnung. Wie ein kleines Kind ließ sich Jimmy mitnehmen. Am Ausgang drehte sie sich noch einmal herum und verpasste den Zigeunern eine zweite Ladung, bevor sie mir direkt in die Augen sah.
Noch nie hatte mich jemand beim Beobachten beobachtet, aber Summer war eben nicht so wie andere.
Sie sagte ein paar Worte in einer Sprache, die ich für Gälisch hielt, und zusammen mit Jimmy entfernte sie sich von dem Zelt.
Ich beeilte mich zu folgen, aber draußen in der Wüste war es stockdunkel. Kein Mond, nur Sterne, nur das Zelt und die weit entfernte Stadt Red Rock waren erleuchtet. Nirgendwo konnte ich eine Bewegung entdecken.
Jimmy und Summer waren verschwunden.
18
D as Summen meines Handys riss mich aus der Vision. Mit der freien Hand griff ich danach, die andere lag immer noch auf meiner Brust. Ich musste nach New Mexico, um herauszufinden, wohin sie gegangen waren.
„Hallo?“
„Komm nicht hinter uns her.“
„Summer?“
„Er muss allein sein. Ich kann ihm helfen.“
„Wenn du ihm helfen willst, ist er ja wohl kaum allein“, stellte ich richtig.
„Ich blockiere dich.“
Ich schoss hoch. „Und wie bitteschön machst du das? Und übrigens, woher hast du eigentlich gewusst, dass ich da war?“
„Ich bin eine Fee“, sagte sie, als würden sich damit alle Fragen erübrigen.
„Fick dich, Glöckchen.“ Wenn ich wütend war, konnte ich mich erstaunlich klar ausdrücken. „Wie hast du Jimmy umgepolt? Ich dachte, deine Zauberkräfte wirken nicht bei Sehern und Dämonenjägern?“
„Es ist keineswegs so, dass meine Kräfte bei euch nicht wirken, ich kann sie nur nicht gegen jemanden einsetzen, der im Auftrag des Guten handelt.“
„Und?“
„Ich glaube kaum, dass sich Jimmy im Augenblick an dieses Konzept erinnert.“
Sie hatte ja recht, aber trotzdem passte es mir nicht.
„Ich habe dich geschickt, weil ich wusste, dass du …“ An dieser Stelle brach ich ab, denn ich wollte es nicht aussprechen. Aber Summer hatte damit kein Problem.
„Du wusstest, dass ich an allererster Stelle an ihn denke. Dass ich ihn beschützen würde, selbst vor dir.“
„Die Lage hat sich geändert“, sagte ich. „Die Frau aus Rauch ist die Anführerin der Dunkelheit.“
„Das kann doch gar nicht sein. Du bist ja immer noch am Leben und nervst.“
Beinahe hätte ich losgelacht. Wenn mir die Situation nicht solche Angst gemacht hätte, würde ich das auch getan haben. Schnell erzählte ich ihr, was ich von Carla wusste.
„Das spielt keine Rolle“, sagte sie. „Es hat sich nichts geändert.“
„Alles hat sich geändert. Sie versucht die Tore zur Hölle zu öffnen und die Grigori freizulassen.“
„Das ist ihre Sache.“
„Und meine Sache ist es, sie vorher zu töten.“ Wenn ich sie tatsächlich erwischte und nicht nur einen ihrer Lakaien, dann sollte alles wieder seinen normalen Gang gehen. Oder doch einen so normalen wie möglich.
„Ich dachte, wir hätten mehr Zeit, die Reihen der Föderation wieder aufzufüllen“, fuhr ich fort. „Mehr Zeit auch für Jimmy, sich am Riemen zu reißen. Aber das haben wir nun einmal nicht. Schnapp
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