Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)
Nicht einmal seinen Namen sollte sie kennen.
„Der königliche Plural?“, fragte sie.
„Ja, genau.“
„Ich hoffe, dir steigt dieser ganze Ich-bin-die-Anführerin-des-Lichts-Kram nicht zu Kopf.“
„Keine Sorge, das wird er nicht.“ Ansonsten wäre das nämlich eine gute Methode, ebendiesen Kopf zu verlieren. „Ist dir in letzter Zeit jemand aufgefallen?“
„Du meinst den Leibwächter, den du geschickt hast?“
Ich runzelte die Stirn. Wenn er ein Leibwächter wäre, hätte er ihr nicht auffallen dürfen.
„Nein“, sprach Megan weiter. „Ist mir nicht aufgefallen.“
Saywer sah, wie ich ihn beobachtete, und gestikulierte ungeduldig mit den Händen. Bestimmt war ich schon eine ganze Weile hier drinnen. Ich hielt einen Finger hoch. „Ich muss jetzt los.“
„Mach dir keine Sorgen um mich“, sagte sie.
„Klar, als wenn das so einfach wäre.“
„Geht mir genauso, Lizzy. Geht mir ganz genauso.“
23
I ch fuhr. Saywer saß neben mir. Keiner von uns sagte ein Wort. Small Talk war noch nie seine Sache gewesen. Und ich wusste nicht, was ich zu ihm hätte sagen sollen, ohne dass es gleich wieder in einem Streit geendet wäre – oder, schlimmer noch, vielleicht sogar damit, dass er mich wieder mit seinem Was-habe-ich-denn-jetzt-schon-wieder-falsch-gemacht-Blick verständnislos angesehen hätte.
Zumindest musste ich mir keine Sorgen um widerliche Geschlechtskrankheiten machen. Alles, was Saywer sich geholt haben könnte, würden wir beide heilen können – und zweifellos war auch Carla dazu imstande. Oder zumindest könnte sie ein Wässerchen bräuen.
Schwangerschaft war eine Sache für sich. Offenbar konnten sich Nephilim fortpflanzen, daher auch das Vorhandensein von Saywer, Jimmy, Carla und allen übrigen mir bekannten und unbekannten Kreuzungen. Dennoch hatte ich schon lange vor Jimmy mit der Pille angefangen. Ich mochte ihn geliebt haben, aber ich hatte auch genug Mädchen in der gleichen Situation erlebt, die ihr Leben verpfuscht hatten, da sie geglaubt hatten, die Liebe würde schon alles richten – und mit einem Kind könnte man einen anderen Menschen noch fester an sich binden. Dabei kam höchstens heraus, dass dieser andere Mensch nur noch schneller das Weite suchte.
Ich hatte dafür noch nicht einmal ein Baby gebraucht, Jimmy war auch so wie der Teufel davongerannt.
Missmutig blickte ich in die vorbeiziehende Landschaft Indianas hinaus. Vor einer Stunde hatten wir Indianapolis passiert – die Stadt war viel größer, als ich erwartet hatte, mit einer stattlichen Anzahl von Wolkenkratzern und einem entsprechend ausgebauten Straßennetz.
Das Gebiet, durch das ich jetzt fuhr, bildete einen willkommenen Gegensatz dazu. Sanft ansteigende Hügel, Felder mit reich tragender Ernte, grasbewachsene Kuppen, sogar Weinberge hatten wir gesehen. Dabei hatte ich immer geglaubt, Indiana sei so flach wie Illinois. Da hatte ich mich wohl gründlich getäuscht.
Aber ganz offenbar gab es auch arme Gegenden. Mobile Behausungen und Müll, mobiler Abschaum. Während ich die Landschaft bewunderte, tauchten vor mir unversehens ein verfallenes Haus, ein schmaler angelaufener Aluwohnwagen und der traurige Abklatsch einer Stadt auf.
Als wir durch diese Gegend rollten, in gemächlichem Tempo, um ja nicht von einem dieser Ranger angehalten zu werden, die nur darauf warteten, Wagen aus anderen Bundesstaaten mit Strafzetteln zu drangsalieren, richtete sich Saywer plötzlich kerzengerade auf und steckte dann den Kopf aus dem Fenster, um sich den Wind um die Nase wehen zu lassen. Wäre er kein Mensch, so würde er aussehen wie ein Hund. Gewissermaßen sah er auch aus wie ein Hund.
„Was ist denn?“, fragte ich, aber da er den Kopf aus dem Fenster hielt, konnte er mich nicht hören.
Ich streckte die Hand nach seiner linken Schulter aus, innerlich wappnete ich mich vor der Berührung des kalten Meerwassers und dem entfernten Geschmack von Blut, mit dem sich die Verwandlung in einen Hai ankündigte. Ich fragte mich, wie oft er sich wohl in einen Hai verwandelte, da er doch in der Wüste lebte.
Bevor ich seine Haut noch berühren konnte, ließ er sich in den Sitz zurückfallen. „Wir müssen anhalten.“
„Reisende soll man nicht aufhalten“, sagte ich.
„Was?“ Sein Blick war hochkonzentriert, aber nicht auf mich gerichtet. Irgendetwas hatte er gesehen, gehört, gerochen, vielleicht auch gespürt – da draußen.
„Da lang.“ Er deutete mit dem Finger, sein Ton wirkte dringlich und verzweifelt
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