Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)
sonderbar, Phoenix“, sagte Saywer.
„Da sind wir ja immerhin schon zu zweit.“
Als er nach der Tür fasste, legte ich ihm eine Hand auf den Arm. Eine Sekunde lang spürte ich, wie der Wüstenwind den Sand zwischen meinen acht schwarzen Beinen aufwirbelte und mir die Sonne heiß auf den Rücken brannte, während ich über den Boden huschte, auf der Jagd nach Beute.
Rasch zog ich die Hand von der eintätowierten Tarantel. Theoretisch musste ich mich für eine Verwandlung öffnen. Tatsächlich war es aber so, dass die Verwandlung schleichend begann, wenn ich mich nicht genug darauf konzentrierte, mich nicht zu verwandeln.
Saywer drehte mir den Kopf zu, in seinem bronzefarbenen Gesicht wirkten die grauen Augen ungewöhnlich. Forschend sah er mir in die Augen, als wollte er meine Gedanken lesen. Ich blickte unverwandt zurück, in der Hoffnung, auch ich könnte seine Gedanken lesen. Aber er hatte mich bislang immer auszusperren vermocht.
„Was hast du nur?“, fragte er.
Er tat so, als wäre er nicht, nachdem er mit Carla geschlafen hatte, unmittelbar zu mir gekommen, um das Gleiche zu tun. Für ihn waren diese beiden Ereignisse ungefähr so bedeutend wie morgens beim Frühstück vor dem Kaffee noch einen O-Saft runterzukippen. Beide waren angenehm, aber nicht notwendig oder bedeutungsvoll oder gar unvergesslich.
Saywer glich keineswegs normalen Menschen. Vielleicht rührte das auch daher, dass er gar kein Mensch war. Er war eben anders. Niemand wusste so genau, was das hieß. Aber so langsam dämmerte es mir.
Er würde nie so ganz normal sein, nie ganz menschlich. Und vor allem durfte man ihm niemals und unter keinen Umständen trauen.
„Gar nichts“, log ich. „Ich wollte nur, dass du weißt: Du musst nicht mit mir kommen.“
„Glaubst du, ich lass dich allein, damit sie dich umbringt?“
„Ich habe doch das hier.“ Ich hielt den Türkis hoch.
„Solange du ihn nicht abnimmst, ihn irgendwo liegen lässt und vergisst, ihn wieder umzulegen.“
Ja, das war dumm gewesen …
„Ich habe daraus gelernt.“
Er richtete sich auf, ließ die Hand vom Wagen gleiten. „Offenbar hast du überhaupt nichts begriffen, wenn du dir einbildest, ich würde dich allein irgendwo hingehen lassen.“
„Was kümmert dich das?“, fragte ich. „Du hast keine Verpflichtungen. Du bildest bloß Seher und Dämonenjäger gegen Geld aus.“
„Wenn es mir nur ums Geld ginge, glaubst du denn nicht, dass mich die Nephilim schon längst auf ihre Seite gezogen hätten? Schließlich hatten die schon seit Ewigkeiten Zeit, sich auf der Bank dicke Polster anzulegen.“
Das stimmte. „Warum hilfst du uns dann?“
„Meinst du etwa, ich will, dass sie alles im Griff hat? Ich habe sie schon Tausende von Malen zurückgewiesen. Das hat sie nicht gerade gut aufgenommen. Wenn sie über die Welt herrscht …“
„Stirbst du.“
„Das würde ich mir bestimmt wünschen, lange bevor sie es mir gewährt.“
Trotz der sommerlichen Sonne überlief es mich kalt.
„Okay“, sagte ich. „Steig ein.“
Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. Das hatte er die ganze Zeit nur gewollt, und ich hatte nie auch nur die geringste Chance, ihn davon abzuhalten.
Ich setzte mich hinters Steuer. „Kannst du Auto fahren?“ Der Weg in den Süden von Indiana war weit. Sicherlich würden wir acht Stunden brauchen, Pausen nicht mitgerechnet.
Saywer schüttelte den Kopf. „Hab es nie gelernt. Nie gebraucht.“
Da er in Gestalt eines seiner Tiere im Nu überall hinkam und das Land der Diné nie als Mensch verlassen konnte, bis er eine Benandanti flachgelegt hatte, waren seine mangelnden Fähigkeiten nur allzu verständlich. Aber gerade jetzt wären sie richtig praktisch gewesen.
„Carla hat gesagt, der Professor habe die Navajo interviewt und Legenden über die Naye’i entdeckt.“
„Ich war dabei“, sagte er trocken. „Ich hab’s gehört.“
„Wie kommt es, dass ein Außenstehender mehr weiß als du?“
„Mein Stamm redet nicht mit mir.“
Die hatten Schiss vor ihm.
Kluges Volk.
„Du willst mir also im Ernst weismachen, dass du es in all deiner Zeit hier auf Erden nie hast munkeln hören, wie man die Frau aus Rauch tötet?“
„Klar habe ich was gehört. Hab’s auch ausprobiert, hat aber nicht funktioniert.“ Mit versteinertem Gesicht starrte er aus dem Fenster. „Nichts funktioniert.“
„Also hältst du unser Gespräch mit Xander Whitelaw für reine Zeitverschwendung?“
„Nein. Ich habe mit dem Professor ganz
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