Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)
Durchstreifen der Savanne unter der losen Haut hin- und herschoben.
Immer mehr bekam ich das Gefühl, dass alles aus gutem Grund und zur rechten Zeit geschah, oder was man sonst noch für Klischees bemühen mochte. Das Leben war Schicksal, wenn man nicht gerade an einen göttlichen Plan glaubte.
In diesem Augenblick war ich felsenfest davon überzeugt, dass Luther auf uns gewartet hatte.
Vor uns schimmerte der taubenblaue Impala durch die von den Blättern schwer gewordenen, tief herabhängenden Äste. Ein paar Kratzer verunzierten den einst makellosen Lack. Summer würde mir gehörig den Marsch blasen, aber das war schon von vornherein klar gewesen.
Wir begaben uns wieder auf die Straße nach Brownport, und nachdem sich Saywer etwas angezogen hatte, begann er Luther ein paar Dinge zu erklären. So viele Worte habe ich ihn noch nie hintereinander reden hören. Er legte alles genau dar: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunftsaussichten. Was der Junge genau war, und was aus ihm werden würde. Er nahm es ganz gut auf.
„Entzückend“, sagte Luther und schlief ein.
Am nächstbesten Starbucks hielt ich an, schnappte mir meinen Laptop und marschierte hinein. Luther rührte sich nicht, also ließen wir ihn bei offenen Fenstern weiterschlafen.
Ich bestellte zwei eisgekühlte Latte, übergab beide an Saywer und suchte mir einen Platz, von wo aus wir den Jungen im Blick hatten. Dann loggte ich mich mit dem Passwort, das Summer mir gegeben hatte, auf der Website der Föderation ein und tippte Marbas in die Suchleiste ein.
„Nachkommen des Dämonen Barbas.“ Ich sah Saywer an, der mir meinen Latte reichte.
„Klingt plausibel.“
Er nahm einen Schluck und sah aus, als würde er das eisgekühlte Zeug direkt wieder ausspucken wollen. Dann schluckte er schwer. Und mit einer angewiderten Geste und einem sehr bösen Blick in meine Richtung setzte er den Becher wieder ab. Wahrscheinlich hatte er so etwas noch nie zuvor getrunken. Und würde es wohl auch nicht wieder tun.
„Eine Kreuzung, das ist der Sohn oder die Tochter eines Dämonen“, endete er.
„Halbdämonen“, sagte ich.
„Die Nephilim mögen menschliche Anteile haben, aber sie verhalten sich nicht gerade danach“, sagte Saywer und wiederholte damit Luthers Bemerkung von vorhin. „Wenn es in Legenden um Dämonen geht, meinen sie immer Nephilim.“
„Was für eine Art von Dämon ist also ein Barbas?“
Ratlos zuckte Saywer mit den Schultern und deutete auf meinen Computer. Ich tippte noch ein wenig mehr ein.
„ Ein herrlicher Löwe, der sich auf Wunsch eines Zauberers in einen Menschen verwandelt. Von Lateinisch barba , das ist eine Pflanzenart, mit der man Dämonen heraufbeschwört. “ Ich lehnte mich zurück. „Also ist ein Barbas ein Löwe, der sich in einen Menschen verwandelt, aber ein Marbas …“
„Ist dann wohl ein Mensch, der sich in einen Löwen verwandelt.“
„Gut“, stimmte ich zu. „Seine Eltern wurden von Löwen getötet.“
Mit einem Mal war Saywer ganz bei der Sache. „Wie interessant.“
„Warum?“
„Weil einer seiner Eltern ein Löwe war und der andere deiner Beschreibung nach ein Zauberer, dessen magische Fähigkeiten es dem Partner oder der Partnerin ermöglicht haben, Mensch zu bleiben.“
„Warum sollten Löwen – Barbas oder Marbas – ihre eigenen Artgenossen umbringen?“
„In der Wildnis gibt es pro Rudel nur ein Alphatier. Darum wird gekämpft, und wenn ein Tier unterliegt, werden auch seine Jungen getötet.“
Mein Blick wanderte zum Impala. Luther schlief immer noch, und die untergehende Sonne schien ihm aufs Haar, brachte die Goldtöne in seinem braunen Haar zum Leuchten. „Das ist ja schrecklich.“
„Das Gesetz des Dschungels.“
„Scheiß Dschungel.“ Meine Stimme war etwas zu laut gewesen, also drehten sich mehrere Leute nach mir um, vertieften sich aber sogleich wieder in ihre Bücher, Kinder und Laptops. Mit gesenkter Stimme fuhr ich fort: „Das hier ist aber nicht der Dschungel.“
„Für die aber doch.“
Schon wieder glitt mein Blick durch die Windschutzscheibe nach hinten zu den zerzausten goldgetönten Haaren des Jünglings, der auf meinem Rücksitz saß.
„Warum haben sie dann dieses Junge hier am Leben gelassen?“
25
W er weiß?“ Saywer griff nach seinem Eiskaffee, schien sich dann aber zu besinnen, dass er ihn ja fürchterlich fand, und ließ die Hand wieder auf die Knie sinken.
„Vielleicht weiß es der Junge ja.“ Ich warf meinen Becher weg, nahm den Computer
Weitere Kostenlose Bücher