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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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globale System der Meeresströmungen hat sich verändert, die Winde wehen nicht mehr aus den gewohnten Richtungen, die Monsune bleiben aus, dafür toben auch in Europa Wirbelstürme. Tornados von einer mörderi-schen Wucht, wie man sie nicht einmal in den Staa-347
    ten kannte. Das wird so bleiben, sagen die Berechnungen. Auch die Sintfluten. Die Computer…«
    »Und wie viele werden es überleben? Habt ihr das auch berechnet?« Ihr ohnehin blasses Gesicht war bleich vor Wut.
    »Ich bin nur verantwortlich für die Richtigkeit meiner Berechnungen!«
    »Entschuldige.«
    »Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse über die Zahl der Toten, aber inoffizielle Berichte sprechen bereits von einer Milliarde. Das Meer hat riesige Landstriche verschlungen, ganze Länder; Dänemark, Belgien, die Niederlande, Bangladesh…«
    »Es stimmt also«, sagte sie leise. »Und du hast es mit eigenen Augen gesehen?«
    »Man hat da oben nicht viel Zeit hinauszuschauen, und die Erde liegt fast ständig unter einer geschlossenen Wolkendecke, aber Großbritannien ist in einzelne Inseln zerfallen, das habe ich selbst gesehen.«
    Sie hatte die Augen geschlossen, atmete schwer.
    Ein Glück, dachte er, daß man aus dem Orbit nicht das Elend auf der Erde sehen konnte, es sogar für Stunden verdrängen konnte, weil die Apparaturen alle Aufmerksamkeit verlangten, aber irgendwann landeten sie wieder, hörten die Nachrichten, nur noch Hiobsbotschaften. William hatte Hiob zitiert: »Über alle Bewohner der Erde bricht jähe Verwüstung herein bis an das Ende der Erde.« Oder war das von Je-348
    remias? »Wenn Babel auch bis zum Himmel hinauf-stiege, und wenn es seine Festung auf unersteigliche Höhen hinaufbaute, auf meinen Befehl kommen
    Verwüster über es, spricht Jahwe. Das Meer ist gegen Babel heraufgestiegen, durch den Schwall seiner Wogen wird es ganz bedeckt.« Aber es bedurfte nicht der strafenden Hand eines Gottes, die Menschen hatten es selbst bewirkt.
    »Ist das der Untergang der Menschheit?« fragte sie.
    »Ich weiß nicht, im Augenblick ist es eine neue Völkerwanderung. Hunderte Millionen Menschen zu Fuß. Es gibt keine Häfen mehr, und seit die Tornados und Turbulenzen die Maschinen reihenweise vom Himmel fegten, steigen nur noch Verzweifelte, die keinen anderen Ausweg wissen, in ein Flugzeug; auch in den noch nicht betroffenen Gebieten gibt es keinen Personenverkehr auf den Eisenbahnen, Ben-zin nur auf Sonderzuteilung.«
    Es mußte ein unvorstellbares, unfaßbares Elend in den Massentrecks herrschen, in den riesigen Feldla-gern, Tag für Tag ein paar Millionen verhungert, verdurstet, vergiftet, von Seuchen dahingerafft, wer krank wurde, war verloren; nicht nur in den asiatischen Ländern, die am schwersten betroffen waren, überall brach die Infrastruktur zusammen, die Versorgung mit Trinkwasser, Lebensmitteln, Energie.
    Wer nicht vor dem Meer flüchtete, floh vor den 349
    Menschenmassen, die sich wie Heuschrecken-
    schwärme landeinwärts stürzten, nein, dahinschleppten, um doch irgendwo elendig zu verrecken.
    Niemand konnte die Zahl der Selbstmorde, die Zahl der Kinder, die von ihren Eltern getötet wurden, auch nur schätzen.
    Wohin die Menschenwogen brandeten, dort tobten erbitterte Kämpfe, herrschte Gewalt, Terror, Panik.
    Polizei und Armee lösten sich auf oder wurden ent-waffnet, gelyncht. Es hatte Meldungen gegeben, daß Armee eingesetzt wurde, die Flut zu stoppen, die Menschenflut; nicht einmal der Einsatz schwerer Waffen konnte sie aufhalten, wie auch?
    »Jeden Tag«, sagte er, »kann die Nachricht kommen, daß man irgendwo mit Kernwaffen einen To-desstreifen gezogen hat.«
    Hörte sie überhaupt noch zu? Er stand auf und trat ans Fenster. Es war kaum heller geworden, die Wolken deckten noch immer das Tal zu, nur links war ein Stück Grat zu erkennen, war er dort herüberge-kommen? Eine Glocke läutete, das Tal füllte sich mit Gestalten, die zur Kirche gingen, ausschließlich Ju-gendliche, auch ein paar Kinder, überwiegend Jungen, alle mager und bleich, barfuß, kaum bekleidet.
    »Wie spät mag es sein?« fragte er.
    »Mittag. Die Glocke läutet zum Essen.«
    »Es ist noch so dunkel.«
    »Aber es regnet nicht.« Sie stellte sich zu ihm.
    350
    »Wir haben die Sonne schon lange nicht mehr gesehen. Manchmal schimmert sie ein wenig durch die Wolken. Sonnenschein? Hat es den wirklich einmal gegeben? Blauer Himmel, Sonnenaufgang, Abendrot es scheint eine Ewigkeit her. Nur ein Traum. Vielleicht war der Himmel nie blau? Vielleicht

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