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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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Vorher jedoch noch ein letztes Mal essen. Nicht die ganze Notration, das Corned Beef und die Schokolade.
    Er drehte sich um, damit er nicht länger ins Tal blicken mußte.
    Niemand wird jemals erfahren, wo wir abgeblieben sind. Wozu auch. Ob Mutter noch lebte? Er starrte auf die Wand. Wenn er den Streifen dort oben 340
    erreichte… Nun gut, einen Versuch würde er unternehmen. Wenn das Tal dort drüben jedoch verlassen war… Bring es hinter dich, befahl er sich, mach dich auf den Weg.
    Weg! Er mußte sich mit den Fingerspitzen in die Felsen klammern, jeden Riß, jeden winzigen Vor-sprung für die Füße nutzen, durfte keinen Blick in die Tiefe werfen, schob sich Zentimeter für Zentimeter in die Höhe, erreichte tatsächlich den Streifen, konnte sich nur auf dem Bauch vorwärtsschieben, schaffte mit einer letzten Anstrengung den letzten halben Meter, klammerte sich an den felsigen Grat, zog sich hoch und starrte in die Mündung eines Gewehrs. Dann wurde ihm schwarz vor Augen.
    Jonas erwachte in einer Hütte oder kleinen Scheune, durch deren Dachritzen Dämmerlicht drang. Auf einem Lager aus Stroh, er fühlte die Halme an seinem Hals. Gefesselt. Stricke um die Handgelenke, die Füße, auch den Kopf konnte er nicht bewegen, ein Strick um den Hals hielt ihn am Boden fest. Er mußte schon Stunden hier liegen, die Finger waren geschwollen, sein Mund ausgedörrt.
    »Hallo, hallo!« Die trockene Kehle gab nur ein heiseres Krächzen her. Ein Gesicht schob sich in seinen Blickwinkel, ein Junge sah ihn finster an.
    »Wo bin ich? Warum bin ich gefesselt? Wer bist du?« Jonas wiederholte es auf englisch, versuchte es in französisch, der Junge starrte ihn unbewegt an.
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    Sicher verstand er nur Italienisch. Wie hieß Wasser auf italienisch Acqua? Bitte hieß prego. Oder per favore?
    »Acqua«, stöhnte Jonas, »prego, per favore.«
    Das Gesicht verschwand, er hörte eine Tür knarren, dann eine helle Stimme: »Contessa, Contessa!«
    Und Worte, die ihm nichts sagten. Contessa? Das hieß doch Gräfin.
    Ein Bursche mit hagerem Gesicht und kurzgescho-renen Haaren trat an sein Lager, dann erkannte Jonas, daß es ein Mädchen war.
    Sie löste den Strick um seinen Hals, die Fesseln an Händen und Füßen nicht, doch sie half ihm, den Kopf anzuheben, setzte eine Flasche an seine Lippen, ungeschickt, das Wasser rann über sein Kinn. Sie war nicht allein gekommen, hinter ihr standen drei Jungen, keiner älter als höchstens sechzehn, dünne Gestalten in geflickten Hemden und ausgewaschenen Shorts, aus denen magere Beine mit knochigen Knien ragten; sie waren barfuß, aber sie hatten Ma-schinenpistolen.
    »Russe?« Das Mädchen tippte auf das CCCP seiner Kombination.
    »Nein, Deutscher.« Sie sah ihn mißtrauisch an.
    »Alleman, Germanico, verstehst du?«
    »Ich verstehe dich gut, ich spreche deutsch. Warum seid ihr hier abgesprungen?«
    »Unsere Maschine ist abgestürzt.« Jonas berichtete 342
    von dem Zusammenstoß mit dem Jumbojet, sie verzog keine Miene.
    Weder die Geistesgegenwart des Jumbopiloten
    noch die Mitteilung, daß es bei der Bruchlandung wahrscheinlich Hunderte von Verletzten, vielleicht sogar Toten gegeben haben mußte, schien sie zu beeindrucken, sie übersetzte seine Worte mit unbeweg-tem Gesicht, nur als er von Marinas Ende sprach, zuckten ihre Lider.
    »Habt ihr das Tal vermint?« fragte Jonas.
    »Warum fliegt ihr immer noch?« fragte sie zurück.
    »Was macht ein Deutscher bei den russischen Soldaten? Soldaten werden nicht mehr gebraucht, werdet ihr das nie begreifen?«
    »Ich bin kein Soldat, Meteorologe, wir fliegen für die Internationale Luftüberwachung. Wir kontrollieren den Zustand der Erde, die Veränderungen…«
    »Das interessiert mich.« Sie gab einen kurzen Befehl, seine Fesseln wurden gelöst, er durfte aufste-hen. Die Burschen beobachteten mißtrauisch, die Waffen im Anschlag, wie er Arme und Beine ausschüttelte, die Hände massierte, um die Blutzirkula-tion wieder in Gang zu setzen und die entsetzlichen Nadelstiche zu vertreiben.
    »Komm mit!« Sie winkte ihm mit der Pistole,
    steckte sie dann in den Gürtel ihrer Jeans. »Versuch keine Dummheiten, meine Jünger würden dich auf der Stelle umlegen.«
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    »Deine Jünger?«
    Sie lachte nur und ging los. Ihr Lachen gefiel ihm.
    Auch die Art, wie sie leichtfüßig über den steinigen Boden glitt, ihre knabenhafte Gestalt er wunderte sich, daß er in dieser Situation an so etwas denken konnte.
    Noch nie hatte er solch ein Licht gesehen. Ein fahles,

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