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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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unerträglich schrillen Tö-
    nen, zerschellte, ein Pilz aus Feuer und Qualm wuchs über der Bergwand.
    Ein Ruck, der Jonas den Atem nahm, dann ließ der Druck nach, der Schleudersitz pendelte, der Fallschirm hatte sich geöffnet. Jonas holte tief Luft.
    Auch der Jumbo schoß jetzt kopfüber zu Tal, glitt parallel zu der steil abfallenden Felswand, ging mit ihr in sanfteren Schwung über, hüpfte, rüttelte dieser Teufelskerl von Pilot bremste den Jet mit dem Bauch auf den Felsen! Die Tragflächen splitterten ab, doch der Rumpf hielt, zerbarst erst, als die Maschine
    »stand«. Jonas sah noch, wie sich die Notrutschen ausstülpten, wie dicke Trauben von Menschen aus der Maschine sprangen, rutschten, kletterten, da er-337
    faßte ihn eine Bö und trieb ihn gegen den Berg. Er mußte sich konzentrieren. Die Hilfsrakete nicht zu früh zünden, den richtigen Zeitpunkt abwarten was war der richtige? So etwas gab es in keinem Trai-ningsprogramm.
    Marina und Pjotr »sprangen« schon über den Grat, William schaffte es nicht, sein Sitz knallte gegen die Wand, der Fallschirm legte sich über eine Felsnase, ein weithin leuchtender Orangefleck. Hoffentlich war er auf der Stelle tot, dachte Jonas. Dort würde niemand ihm helfen können, und William hatte nie eine Kapsel bei sich: für Katholiken sei Selbstmord noch immer Todsünde. Nur nicht so am Berg hängenblei-ben und langsam im Schleudersitz verrecken. Oder die Gurte lösen und in die Tiefe stürzen. Jenseits des Grats ertönten zwei Explosionen, Widerschein von Feuer brach sich an den Wolken.
    Jetzt! Der Sitz schnellte hoch, über den Grat, der Fallschirm zerriß knallend und knatternd, Jonas versuchte verzweifelt, mit den Fangleinen das Trudeln und Drehen unter Kontrolle zu bringen. Er stürzte zu Tal. Nirgends eine glatte Fläche zum Landen, nur steiler Hang oder spitze Felsen, Gewirr von Steinen, ein reißender Fluß. Scheiße, dachte er, das war's also.
    Da erblickte er die Reste von Pjotrs Schleudersitz, daneben die orangefarbene, zerfetzte Kombination der Kosmonauten, ein Stück weiter lag Marina, auch ihr Sitz in tausend Stücke zerrissen, und sie selbst 338
    gevierteilt; Meter neben ihrem Körper lag der noch immer behelmte Kopf, die Arme, ein Bein. Es würg-te in seinem Hals. Was, zum Teufel, hatte sie so zu-gerichtet? Gleich würde er es wissen. Der Sitz prallte auf den Boden, hüpfte in schmerzhaften Stößen über das Gestein, kam zum Stehen. Keine Explosion.
    Jonas ließ die Hände in den Schoß sinken. Er hatte nicht die Kraft, sich aus dem Sitz zu befreien. Die Augen fielen ihm zu.
    Irgendwann schreckte er hoch, blickte zur Uhr.
    Hatte er einen ganzen Tag verschlafen, oder waren wirklich erst siebenundzwanzig Minuten vergangen, seit Pjotr »Jump!« kommandiert hatte?
    Er zwang sich, die Augen nicht wieder zu schlie-
    ßen, obwohl er unter sich die Überreste von Marina und Pjotr sah.
    Er löste die Halterungen, spürte, daß die Riemen dicke Blutergüsse auf seine Schultern gedrückt hatten; hoffentlich war die Wirbelsäule nicht geprellt, er schrie laut auf, als er sich hinstellen wollte. Die Trinkflasche war zerschmettert, Jonas würgte zwei Melanon trocken hinunter, wartete, bis der Schmerz erträglich wurde.
    Der Wind hatte sie über das Tal auf den gegenü-
    berliegenden Hang getrieben. Der Talgrund wurde fast völlig von einem reißenden Fluß ausgefüllt, nur an einigen Stellen waren noch die Reste eines jetzt überfluteten Weges zu erkennen, und zwischen Fluß 339
    und Hang zog sich eine Kette von großen Schildern hin, einige waren umgestürzt. Zu seiner Überlebens-ausrüstung gehörte auch ein Teleskop, es steckte in der linken Beintasche, und es hatte den Absturz überstanden.
    Jonas richtete es auf ein umgestürztes Schild, ent-zifferte die kopfstehende Schrift, die in deutsch und in Worten, die italienisch sein mochten, verkündete: Sperrgebiet! Lebensgefahr!
    Wer weitergeht, wird ohne Warnung erschossen!
    Schilder entlang des Flusses, so weit er blicken konnte, aber den Hang konnte er ohnehin nicht ent-langklettern. Also hinunter, in das verminte Gebiet?
    Oder nach oben? Vierzig oder fünfzig steile Meter.
    Er war kein Alpinist. Und wozu sich noch diesen Felsen hinaufquälen, dachte er, dahinter liegt doch nur ein anderes ödes Tal. Die Alpen waren bis auf die übervölkerten Randgebiete längst aufgegeben, und er mußte hier mitten im Alpenmassiv sein. Die Kapsel schlucken und aus. Das Leben auf der Erde lohnte sowieso nicht mehr, nirgends.

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