Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
römischen Überreste zu untersuchen, die an die Krypta angrenzten.
Mehr als eine Stunde dauerten die Arbeiten schon, als plötzlich von unten ein erstickter Aufschrei zu hören war. Dr. Greten wandte sich abrupt um. »Michael? Was ... äh ... was ist passiert?«
Sekunden später erschien das schreckensbleiche, blond geschopfte Gesicht eines der Studenten an der Krateröffnung. »Herr Doktor! Wir haben da etwas gefunden. Ich meine ...«
»Michael, stottern Sie bitte nicht so rum! Wir sind hier nicht im Seminar für Alte Geschichte. Was haben Sie gefunden?«
»Wir haben ... wir haben eine Leiche gefunden!«
***
Etwa zur gleichen Zeit sah sich die Verkehrsdienststelle des Staatssekretariats im Vatikan mit der Frage der Kölner Polizei konfrontiert, wer denn wohl üblicherweise der Fahrer des schwarzen Mazdas mit dem besagten Kennzeichen sei. Ein junger Novize, kaum dem Seminar entwachsen, sah pflichtgemäß in der Liste der Fahrzeuge und ihrer Nutzer nach. Es dauerte nicht lange, bis sein Finger an einem Namen stehen blieb.
Als für den Wagen verantwortlich wurde Kardinal Sarrafini genannt, als augenblicklicher Nutzer ein gewisser Boris Stencovich. Der junge Mann machte sich eine Notiz und gab diesen Namen in völliger Arglosigkeit in den Computer ein. Vielleicht hätte er doch vorher nachfragen sollen, ob er diesen Namen so ohne weiteres preisgeben durfte. Jedenfalls hatte er keine Ahnung, was diese einfache Auskunft noch bewirken sollte ...
***
Es dauerte höchstens zwanzig Minuten, bis vor der Kirche St. Pantaleon zwei Streifenwagen und zwei zivile Polizeiwagen vorgefahren waren und etliche Beamte mit wichtiger Miene in die Krypta geeilt waren. In der Krypta herrschte wahrhaft eine Totenruhe, während die Untersuchungen an dem gefundenen Skelett vorgenommen wurden.
Aber schon nach kurzer Zeit gab der anwesende Pathologe Entwarnung. »Es handelt sich keineswegs um einen Kriminalfall«, meinte Dr. Wittonik schmunzelnd.
»Es handelt sich auch nicht um eine ... Leiche, vielmehr um ein Skelett. Und das dürfte nach meiner groben Schätzung seit mehrals eintausendfünfhundert Jahren dort unten seine Ruhe gefunden haben.«
Kriminalhauptkommissar Müller sah ihn aufmerksam an. »Sind Sie ganz sicher?«
»Ganz sicher! Das Skelett ist außergewöhnlich gut erhalten. Es lassen sich sogar Reste seiner Kleidung ausmachen. Ich würde sie für die Reste einer einfachen blauen Tunika halten, wie man sie zur späten Römerzeit getragen hat. Und sehen Sie hier!«
Er wies auf ein kleines, völlig oxidiertes Metallstück. »Solche Schmuckstücke hat man damals wie heute getragen. Oft waren die Namen der Besitzer eingraviert. Vielleicht haben wir Glück. Moment!«
Er kramte in seiner Tasche nach einer Lupe, knipste die Lampe an und studierte das Metallstück.
»Aha! Der Besitzer war wahrscheinlich ein ... Mann. Wenn ich das richtig lese, war sein Name ›Arminius‹ oder ›Arimios‹.«
Er knipste die Lampe aus. »Wie ich gehört habe, wurden hier Rollen gefunden, die man auf das dritte oder vierte Jahrhundert nach Christus datiert.«
Er machte eine kurze Pause und ließ seine Worte auf die Umstehenden wirken. »Nun, genauso alt wird der Knabe sein, dessen Reste wir nun hier gefunden haben. Eine genauere Altersbestimmung lässt sich freilich erst nach einer exakten Untersuchung im Institut vornehmen. Vielleicht war der Mann ja der Wächter jener Schriftrollen?«
Müller sah ihn fragend an. Der Pathologe deutete schmunzelnd auf einige Holzreste, die neben der Leiche lagen.
»Hier könnte er auf einem Stuhl gesessen und die Rollen bewacht haben, oder?«
Dr. Wittonik hatte ja keine Ahnung, wie Recht er mit dieser Vermutung hatte ...
XXXXV.
Mein Kopf schmerzte, als ich in die gleißende Morgensonne trat und das Podest mit dem Richterstuhl bestieg. Das Forum meines Palastes war schon Tage vorher zum Gerichtssaal hergerichtet worden, denn ich nutzte meine Zeit in Jerusalem unter anderem dafür, Rechtsstreitigkeiten zu schlichten und Urteile zu sprechen. So hatte ich zum Beispiel auch das Todesurteil gegen jene beiden Räuber unterzeichnet, von denen Lucius Domitius gesprochen hatte. Ihre Kreuzigung sollte noch rechtzeitig vor dem Passahfest vollzogen werden, weil es die Gesetze der Juden aus mir unerfindlichen Gründen verboten, die toten Körper an diesem Tag am Kreuz hängen zu lassen.
Kaum hatte ich das Palastforum betreten, senkte sich Stille über das gesamte Gelände. Betont ruhig zupfte ich meine
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