Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
hätte Allenstein fast seine Lieblingskollegin angerempelt, die gerade vom Kopieren kam.
»Na, glücklich, dass du bei der MK gelandet bist?«
Ein spitzbübisches Lächeln begleitete diese Frage, für das allein Allenstein sie hätte umarmen können. Er setzte sein charmantestes Lächeln auf. »Bin jedenfalls nicht unzufrieden. Und woran arbeitest du gerade?«
Die dezent geschminkten Lippen verzogen sich. »Einbruch in einer Apotheke in Mülheim. Das Übliche, Junkies auf der Suche nach dem nächsten Schuss. Schätze, dein Fall ist interessanter.«
»Na ja, im Augenblick ... Und ... und was machst du heute Abend?«
Die Frage sollte unverfänglich klingen. Jutta Barg blickte ihn aufmerksam an.
»Ein Date?«
»Date, äh ... nein, ich meine nur ... äh, falls du ...«
Er brach seinen kläglichen Versuch ab und wünschte sich in diesem Augenblick auf eine der Spitzen des Kölner Doms.
»Warum nicht?«
»Du meinst ...?«
»Magst du Spaghetti Carbonara?«
Um ehrlich zu sein, wusste Allenstein überhaupt nicht, was das war, denn wenn er etwas hasste, dann war es italienische Küche. Da bevorzugte er schon eher die bodenständige Küche seiner Heimat. Aber Not kennt kein Gebot! Er konnte es gar nicht fassen, dass er so schnell schon am Ziel seiner Träume sein sollte. Bis jetzt hatte sie doch immer ...
»Carborara. Ich liebe es. Könnte dafür sterben«, rief er freudig aus.
Jutta Barg schmunzelte. »Okay, sieben Uhr bei mir. Alles klar, Kollege?«
»Alles ... alles klar!«
»Gut, bis heute Abend! Bring einen schönen Roten mit!«
***
Boris Stencovich hatte gehofft, durch die Tat in Rodenkirchen sein Gewissen beruhigen zu können. Zwei Rollen waren ihm durch einen üblen Trick gestohlen worden, zwei Rollen hatte er jetzt wieder. Eminenza würde zufrieden sein. Wirklich? Es konnte dem Kardinal nicht verborgen bleiben, dass für diese beiden Rollen zwei Menschen sterben mussten und dass er dafür verantwortlich war. Er saß in dem kleinen, kalten Zimmer seiner Pension in der Nähe des Bahnhofs und fror. Er fror und er hatte Angst. Angst vor seinem Patron, der immer die schützende Hand über ihn gehalten hatte. »Keine Gewalt!«, das hatte Kardinal Sarrafini ihm immer wieder gepredigt. Und er hielt sich daran, meistens jedenfalls.
Vor einem halben Jahr in Hamburg, das war ein Unfall! Der Kardinal hatte ihn beauftragt, ein Gespräch mit einem äußerst aufsässigen Professor zu führen, der nach Meinung etlicher Fachleute durch seine unbotmäßigen Vorträge die reine Lehre der katholischen Kirche in nicht unbeträchtliche Gefahr brachte. Fast täglichwuchs die Zahl seiner Anhänger, die mit offenen Mündern an seinen albernen Aussagen hingen und ihm wie einem Guru folgten. Ihm war eben ... äh ... eine gewisse Mäßigung in seinen Vorträgen anzuraten. Konnte er ahnen, dass dieser Mann nach dem Genuss einer halben Flasche Rotwein auf die Idee kam, ihn in völliger Fehleinschätzung der Kräfteverhältnisse anzugreifen? Jedenfalls musste er sich wehren, und ehe man wusste, was geschehen war, lag der Professor mit einer blutenden Platzwunde und zwei fehlenden Vorderzähnen auf dem Boden seiner Wohnung und schrie lauthals nach der Polizei.
Stencovich seufzte. Der Kardinal hatte ihm verziehen und alles wieder hingebogen. Aber diesmal? Zwei Menschen waren tot. Aber er hatte zwei Rollen, zwei von sechs. Zu wenig?
Er ahnte, wo die restlichen Rollen waren. Entweder hatte die Rothaarige sie doch in ihrer Wohnung versteckt oder vielleicht bei Freunden im Haus untergebracht. Stencovich beschloss, dem Haus noch einmal einen Besuch abzustatten, bevor er den Kardinal anrief. Er zog seine Jacke an und verließ die ungemütliche kleine Pension. Auf der Straße empfing ihn ein eisiger Wind, in dem sich winzige Hagelkörner mittreiben ließen. Er blickte nach oben und schüttelte sich. Dunkle Wolken zogen von Westen heran. Es würde heute noch Schnee geben, das wusste er.
Sein Mazda stand in unmittelbarer Nähe. Er hatte heute Morgen die Windschutzscheibe reparieren lassen, damit das Fahrzeug weniger auffiel. Vielleicht suchte die Polizei schon nach ihm. Er blickte sich nach allen Seiten um und stieg dann ein.
Im gleichen Augenblick verließ der Mann, der von ähnlicher Statur war und vor einiger Zeit noch als Weihnachtsmann vor dem Archäologischen Institut der Universität Köln herumgegeistert war, den Hauseingang, von dem aus er die Pension beobachtet hatte. Der Mann grunzte zufrieden, schloss hastig seinen Audi auf
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