Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
Anweisung zur dienstlichen Abordnung gegangen.
Synophocos, 1. Kanzleischreiber
Mein Gesichtsausdruck war wohl ziemlich dümmlich, denn Cäcina begann lauthals zu lachen. Er stand auf und schlug mir kräftig auf die Schulter. »Geschafft, Tribun! Bei Mercur, wenn das nicht deine Versetzung ist, sollen mich die heiligen Hühner der Juno fressen.«
Ich stimmte freudig in sein Lachen ein. Was anderes als meine Versetzung nach Rom konnte es schon bedeuten? Endlich! Das freudlose, kalte Land der Barbaren hing mir zum Hals heraus, und allein der Gedanke an eine Versetzung in die Heimat brachte mein Blut in Wallung. Proculeia! Ihr zartes Gesicht stieg aus dem Nebel der Erinnerung empor. Seit mehr als fünf Jahren hatten wir uns nicht gesehen, nur gelegentliche Briefe erinnerten mich daran, dass ich tatsächlich verlobt war. Stumm hatte der Statthalter meinem Sturm der Gefühle zugesehen. Dann hob er sein Glas: »Auf Rom, Tribun!«
»Auf Rom!«
Die Schiffe, die mich trugen, die Pferde, die Kutschen, sie müssen geflogen sein. Anders konnte es nicht sein, denn die Rückkehr nach Rom vollzog sich in solcher Eile, dass es mich selbst wunderte. Freilich hatte ich Zeit genug, mich quälenden Zweifeln hinzugeben. War es wirklich eine Versetzung, die mich nach Rom rief? Oder hatte ich den Unwillen des Präfekten, des Kaisers gar erregt? In den Zelten geisterten des Nachts oft genug Geschichten von Männern herum, die beim Kaiser plötzlich in Ungnade gefallen waren und sich im Exil wieder fanden, wenn ihnen nicht noch Schlimmeres widerfahren war. In den stillen Nächten auf den Schiffen, auf den harten Betten der Poststationen, während der Ritte durch die stummen, dunklen Wälder marterte ich mein Hirn, doch konnte ich nichts finden, was Ursache eines solchen Unwillens hätte sein können.
An einem feuchtwarmen Sommerabend betrat ich bei strömendem Regen die Metropole des Reiches, und mein Herz jubilierte trotz aller Zweifel! Natürlich führte mich mein erster Weg ins elterliche Haus auf dem Quirinalis. Der alte Gabinius, mein treuer Verwalter, war sehr erstaunt mich zu sehen, hatte ich ihm doch meine Ankunft gar nicht mehr ankündigen können; indes, ein schneller Blick zeigte mir, dass er alles sehr gewissenhaft gehütet hatte.
»Wird der edle Herr jetzt in Rom bleiben?«
»Das wissen die Götter«, antwortete ich, »aber sag, Alter, wie steht es in Rom? Im fernen Germanien hört man nur allzu wenig von dem, was hier passiert.«
Die Züge des Alten verklärten sich, und während er seinem Herrn Wein nachschenkte, sprudelte es aus ihm heraus: »Die Götter haben es gut mit uns gemeint. Die Herrschaft des göttlichen Augustus war schon ein Segen für das römische Volk, aber sein Adoptivsohn steht ihm nicht nach.« Hastig rang er nach Atem, so schnell sprudelte es ihm über die schmalen Lippen. »Bescheiden ist der hohe Herr, will nicht als Herr angeredet werden. Gütig ist er und verzeiht selbst jenen, die ihn schmähen. Schmeichelei hasst er, und selbst den Titel seines Adoptivvaters mag er nicht führen. Keine Prozesse wegen Majestätsbeleidigung mehr, Tiberius hat die Furcht aus Rom verbannt. Die ehrwürdigen Väter des Senats hat er wieder in ihre alten Rechte eingesetzt, man möchte meinen, die Republik des Cicero lebte wieder auf. Und er hat ...«
»Genug, genug«, lachte ich und freute mich, dass der neue Princeps eine solch gute Regentschaft führte. Gleichzeitig fühlte ich Erleichterung. Ein solch gnädiger Herrscher würde mich nicht aus Germanien kommen lassen, weil ich seinen Unmut erregt hatte. Nein, gewiss nicht. Ich atmete tief aus und stürzte einen Becher des herrlichen Cäcuberweines herab, den Gabinius zu meiner Ankunft aus dem Keller geholt hatte.
Am nächsten Morgen stattete ich zunächst den Bädern einen kurzen Besuch ab und legte meine neue Tribunenuniform an. Zur fünften Stunde fand ich mich in der Castra Urbana ein und bat die Ordonnanz, mich dem Präfekten zu melden. Vorbei an jenem Synophocos, einem vertrockneten alten Griechen, der das Schreiben ausgefertigt hatte, gelangte ich in den schlichten Warteraum, in dem schon zahlreicheMänner auf ihre Audienz zu warten schienen. Für mich entstand eher der Eindruck, dass es sich um den kaiserlichen Warteraum handelte, solch ein buntes und vielstimmiges Gewirr von Menschen empfing mich: Senatoren und Ritter, Kaufleute und ausländische Gesandte gaben sich ein Stelldichein, aber sie warteten noch, als man mich schon hereinrief, und ich werde
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