Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Pilatus-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
Vom Netzwerk:
eigene Bemerkung schmunzeln. Der Kaplan ordnete in stummer Verzweiflung seine Soutane und rang sich ebenfalls ein gequältes Lächeln ab.
    Einen Augenblick lang wanderten die Gedanken des Erzbischofs zu den Ereignissen des vergangenen Sommers zurück. Der Papst hatte anlässlich des Weltjugendtags für einige Tage die StadtKöln besucht, eine insgesamt mehr als gelungene Veranstaltung, wenn sie auch in die Kasse des Erzbistums ein gehöriges Loch gerissen hatte. Aber diese Begeisterung der jungen Leute! Diese Atmosphäre in der ganzen Stadt. Fast eine Million junger Pilger aus aller Welt, friedlich und aufgeschlossen. Ein Fest der Jugend und des Glaubens. Und keine oberflächliche Fun-Party, wie die ewigen Pessimisten geargwöhnt hatten. Der Kardinal schloss verzückt die Augen. Für einen Moment tauchte er noch einmal ein in die begeisterte Menge, die dem Oberhaupt der katholischen Kirche wahre Ovationen dargebracht hatte. Und auch auf ihn, den Gastgeber, den scheinbar so ungeliebten Kardinal aus dem Osten, dem man doch häufig ein gestörtes Verhältnis zur stets frohgemuten rheinischen Bevölkerung nachgesagt hatte, auch auf ihn waren Beifall und Jubel in einem Maße herabgeprasselt, wie er es nie zuvor erlebt hatte. Mit Begeisterung dachte er an jene Momente zurück, hörte die Rufe, sah die strahlenden Augen.
    »Beeenedetto ...! Beeenedetto ...! Beeenedetto ...!«
    Mit Begeisterung, aber auch mit Wehmut, denn sie waren vorbei. Kirchengeschichte.
    »Nun, das war so ...«
    Die nüchterne Stimme seines Kaplans rief ihn in die Gegenwart zurück.
    »Ich traf nur seinen Nachbarn an, diesen pensionierten Lehrer. Der sagte mir, der Finder, dieser ...«, er blickte auf das Papier, das vor ihm lag, »dieser Hellinger, er würde die Rollen auf keinen Fall herausgeben. Da habe ich mich an unsere Anwälte gewandt, die ...«
    Der Erzbischof schnappte nach Luft. Er griff nach seiner randlosen Brille und putzte sie mit ruhelosen Bewegungen. Dann schlug er mit der Faust kräftig auf den Tisch.
    »Anwälte? Pensionierter Lehrer? Sie haben mit dem Mann selbst überhaupt noch nicht gesprochen?«
    Der Ton des Erzbischofs wurde noch eine Spur lauter, eine steile Zornesfalte bildete sich auf seiner Stirn.
    »Wagenbach, Wagenbach! Augenblicklich suchen Sie den Mann auf! Bieten Sie ihm Geld, aber fangen Sie erst einmal mit einer kleinen Summe an. Der Mann ist Handwerker, nicht wahr?«
    »Installateur, Eminenz.«
    »Sehen Sie, Wagenbach, solche Leute brauchen immer Geld, erst recht jetzt vor Weihnachten, nicht wahr? Und im Übrigen gehören die Funde sowieso uns, das müssen Sie ihm klar machen. Wir wollen ja nichts Unrechtes!«
    Der smarte Kaplan nickte erleichtert. Er hatte schon schlimmere Zornesausbrüche seines Vorgesetzten erlebt – wenn auch selten.
    »So, nun gehen Sie, und bringen Sie mir die Schriftrollen.«
    Er entließ den jungen Geistlichen mit einer Handbewegung, nicht ohne ihm freundlich nachzulächeln.
    »Ach, und schicken Sie mir den verrückten Diakon rein. Bald ist wieder Karneval, da muss man ihn frühzeitig ein wenig an die Kette legen, von wegen Kanalmeister und so was ...«

XIX.
     
    Fünf lange weitere Jahre tat ich Dienst im unwirtlichen Barbarenland und hatte mich fast schon damit abgefunden, dass ich die strahlende Sonne Roms kaum noch sehen würde, als mich eines Abends ein Adjutant des Kommandeurs in das Quartier des Statthalters bat. Die Frühjahrswinde hatten gerade begonnen, die letzten Reste des Schnees zu tilgen, und zaghaft wagte sich erstes Grün nach oben.
    Cäcina Severus bot mir freundlich ein Glas Wein an, und kaum hatte ich es mir bequem gemacht, überreichte er mir mit einem süffisanten Grinsen eine bereits geöffnete Schriftrolle.
    »Es scheint, man benötigt dich in Rom.« Ich muss ihn verdutzt angesehen haben.
    »Lies, Tribun! Du hast deine Versetzung in Händen.« Meine Augen flogen über den Papyrus und konnten doch zunächst nur Bruchstücke fassen: alsbald nach Rom begeben ... bei Seianus melden ... Versetzung!
    Ein zweites und ein drittes Mal musste ich den Text lesen, bevor ich richtig verstanden hatte, und der Wortlaut brannte sich mir so sehr ins Herz, dass ich ihn noch heute ohne Mühe zitieren kann:

    Dem Tribun Pontius Pilatus einen Gruß

    Hiermit wirst du angewiesen, dich unmittelbar nach Rom zu begeben und dich bei Ankunft sofort bei dem Präfekten der Prätorianer, L. Aelius Seianus, in der Castra Urbana zu melden. An den Statthalter von Germania Inferior ist entsprechende

Weitere Kostenlose Bücher