Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
Freundes einnehmen, auch wenn die Verschiedenheit unserer Dienstgrade nach außen hin unüberwindbare Hürden zu errichten schien.
Wenn ich nun, am Abend meines Lebens, zurückblicke, so erscheinen mir jene Jahre als die schönsten, die das Schicksal für mich bereitgestellt hatte, und wie alle schönen Dinge schienen sie wie im Fluge zu vergehen. Sieben unbeschwerte Jahre verstrichen auf diese Weise, sieben Jahre, in denen ich den Dienst als Prätorianertribun ebenso schätzen gelernt hatte wie das Leben in der Hauptstadt mit all seinen Annehmlichkeiten.
Dann aber wandte sich Fortuna von mir ab. Es begann mit einer Einladung zu Seianus. »Ein Abendessen im kleinsten Kreise«, hatte auf der Schiefertafel gestanden, die mir ein Bote überbracht hatte. »Im kleinsten Kreise«, das schloss Claudia aus und verwunderte mich, war sie doch bisher bei allen Einladungen der glanzvolle Mittelpunkt der Gesellschaft gewesen. Zugleich beschlich mich ein ungutes Gefühl, obwohl ich mir den Grund dafür nicht erklären konnte. So lag ich mit wachem Geist auf meiner Liege und erfreute mich an geröstetem Zicklein in Garumsoße, während der Blick des Präfekten wie forschend auf mir ruhte. Schweigend tunkte Seianus sein Brot in die vorzügliche Fischsoße, gab plötzlich den Sklaven einen Wink, sich zu entfernen, und erhob seinen Kelch. »Auf den Kaiser!« Ich putzte mir schnell den fetttriefenden Mund ab und wiederholte den Trinkspruch.
»Der Kaiser wird Rom verlassen«, fuhr Seianus fort, und wenn ich mich nicht völlig täuschte, hatte sich ein zynisches Lächeln in seine schmalen Mundwinkel gegraben.
»Verlassen? Plant er ... äh ... eine Reise oder einen Feldzug? Ich habe nichts gehört, was ...«
»Keine Reise. Kein Feldzug! Er ist der Stadt überdrüssig und wird sich vorerst nach Capri in einen seiner dortigen Paläste zurückziehen.«
»Nach Capri? Vorerst?« Das Stück Lamm wäre mir fast im Halse stecken geblieben.
Seianus zeigte sich über meine Reaktion amüsiert. »Warum nicht? Man kann das Reich auch von einer Insel aus regieren, oder nicht? Und wie lange? Wer kann das schon wissen, nicht wahr?«
Ich nickte schweigend und ertränkte mein Erstaunen in einem großzügigen Schluck Wein.
»Ich war ... nun, ich war an seiner Entscheidung nicht ganz unbeteiligt.« Seianus musterte mich aufmerksam und spielte mit seinem großen goldenen Siegelring.
Ich begann zu verstehen und entgegnete: »Und man darf wohl vermuten, dass du hier in Rom sein ...« Ich suchte nach dem richtigen Wort, aber Seianus unterbrach meine Suche: »Statthalter? So etwas meinst du wahrscheinlich.« Ich nickte.
»Ja«, sagte er lächelnd, »das darf man vermuten. Und deshalb ist es wichtig, dass die Dinge hier und andernorts geregelt werden und die richtigen Männer auf den richtigen Plätzen sitzen. Ich muss mich auf alle verlassen können, und du, mein lieber Pilatus, spielst dabei keine unwichtige Rolle.«
»Was könnte ich in diesem Spiel der Großen beitragen?«
In Seianus’ Augen trat etwas Lauerndes, als er fragte: »Kennst du unsere Provinz Judäa?«
Ich dachte einen Augenblick nach, bevor ich zögernd antwortete: »Kennen wäre zu viel gesagt. Als junger Tribun tat ich in Syrien Dienst, in der Zwölften. Wir kämpften in Jerusalem bei einem Aufstand. Ich habe damals ...«
Ungeduldig winkte Seianus ab. »Genug, das reicht, du kennst es also. Kurz gesagt, ich werde dich dem Kaiser als neuen ... Präfekten vorschlagen.«
Für einen Augenblick schien sich das Triclinium um mich herum zu drehen. Die Hand, die den Weinkelch führte, begann zu zittern. Aber ich nahm mich zusammen und brachte mit einigermaßen fester Stimme heraus: »Zum Präfekten?«
Einen Augenblick lang herrschte Stille, dann begann Seianus zu grinsen. »Ganz recht, mein lieber Pilatus. Judäa ist zu klein und unwichtig, um es mit dem Rang eines Prokurators zu besetzen, aber für einen Präfekten reicht es.« Er lachte laut auf. »Schau, den Valerius Gratus haben wir gerade als Präfekten von Judäa abgelöst, er sitzt wohl schon auf seinen gepackten Kisten. Elf Jahre war er im Amt, das reicht. Zeit für einen Wechsel!« Er griff nach meinem Arm und zog mich halb über den Tisch, sein weingetränkter Atem streifte mich. »Deine Chance, Pilatus, deine große Chance. Heute Präfekt in Judäa, morgen vielleicht mein Nachfolger in Rom. Nur die Götter mögen wissen, zu welchen Ehren dein Weg dich noch führen wird.«
Er senkte seine Stimme und flüsterte in
Weitere Kostenlose Bücher