Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
vertraulichem Tone: »Der Kaiser wird bald siebzig, wie du weißt, und er ...«
»Hinterlässt keinen Sohn«, ergänzte ich frech.
Seianus nickte eifrig. »Ich sehe, wir haben uns verstanden. Aber nichts davon darf diesen Raum verlassen, keine Silbe, verstehst du?«
Und ob ich verstanden hatte. Ich genehmigte mir einen großen Schluck des köstlichen Mamertiners, da fuhr Seianus schon fort: »Komm in zwei Tagen zur achten Stunde, dann werden wir mehr wissen!«
Ich war entlassen, und mein Herz hüpfte vor Freude, als mich die Sklaven in der Staatssänfte nach Hause trugen. Ich glaube, ich habe in dieser Nacht keine Stunde geschlafen und musste doch meine Begeisterung vor den fragenden Augen meines Weibes verbergen.
Zur vereinbarten Stunde fand ich mich auf dem Esquilin im Hause des Prätorianerpräfekten ein, der mich in feinster Toga empfing, ganz der Staatsmann, als der er nun zu gelten bestrebt war. Als er mich sah, stand er auf und kam mir mit raschen Schritten entgegen. Seine kräftigen Hände legten sich auf meine Schultern. »Es ist vollbracht, lieber Freund. Ich grüße den neuen Präfekten von Judäa. Darauf wollen wir trinken.«
Er kredenzte mir einen rubinglänzenden Falerner, und wir verzichteten ausnahmsweise beide darauf, ihn mit Wasser zu verdünnen. Infrohem Klang schlugen die beiden silberziselierten Becher aneinander, das übliche Trankopfer für die Götter wurde vollbracht, und dann erscholl es aus zwei Kehlen: »Vivat imperator – der Kaiser möge leben!«
Es fiel mir auf, dass wiederum keine Sklaven anwesend waren. Offenbar handelte es sich auch jetzt um eine vertrauliche Unterredung. Wie vertraulich, wurde mir schon bald klar, denn Seianus gönnte sich nicht viel Zeit. »Die Truhen sind gepackt, die Kisten verschlossen. In zwei Tagen wird Tiberius aufbrechen.«
Er lehnte sich entspannt auf der Brokatliege zurück und pflückte genüsslich eine Weintraube. »Rom gehört nun mir, mein Lieber, und je eher das den Leuten klar wird, umso besser. Aber nun zu dir. Du kennst Judäa nicht wirklich, nicht wahr?«
Ich schüttelte wahrheitsgemäß den Kopf.
»Nun, so lass dich warnen. Die Juden sind ein merkwürdiges Volk, trunken von Religion und in jeder Beziehung unbotmäßig. Es kommt immer wieder zu Unruhen und kleineren Aufständen, und du wirst Mühe haben und diplomatisches Geschick beweisen müssen, um diese Dinge in den Griff zu kriegen. Wenn es nach mir ginge, würde ich anders vorgehen, denn mir ist dieses Volk verhasst, aber unser großer Kaiser scheint einen Narren an ihm gefressen zu haben. Wusstest du, dass diese Provinz als Einzige das Privileg hat, nicht in unseren Armeen dienen zu müssen, keine Hilfstruppen stellen zu müssen?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er schon fort, sein Gesicht rötete sich: »Du wirst nur über eine kleine Zahl von Truppen verfügen. Keine regulären Legionen, sondern nur syrische Hilfstruppen, eine doppelte Ala und fünf Cohorten.«
Ich überschlug die Zahl schnell: »Nicht mehr als dreitausendfünfhundert Mann!«
Seianus nickte. »Im Notfall kannst du von dem Legaten in Syrien, der über vier komplette und kampferfahrene Legionen verfügt, Hilfe anfordern. Übrigens unterstehst du ihm!«
»Wer ist zurzeit Legat in Syrien?« Eigentlich hätte ich mich in Vorbereitung dieses Gespräches um diese Information vorher kümmern müssen. Aber Seianus schien meine Wissenslücke nicht weiter zu stören. »Es gibt keinen!«
Ich muss ihn ziemlich überrascht angesehen haben, denn er fuhr schmunzelnd fort. »Umso besser, nicht wahr? So wird dir niemand in deine Amtsführung hineinreden. Aelius Lama, der bisherige Legat, war zu unzuverlässig und wurde nach Rom zurückbeordert, übergangsweise residiert dort der Legat der Legio Sexta ferrata, ein gewisser Pacuvius. Wir werden auch diese Position neu besetzen, und sei gewiss, lieber Pilatus, wir werden das in unserem Sinne tun, und der neue Mann wird dir keine Schwierigkeiten machen. Nun zu deinen Aufgaben: Neben den normalen Aufgaben, die einem Statthalter obliegen, wirst du die Stelle eines obersten Gerichtsherrn einnehmen. Insbesondere ist es den Juden verboten, Todesurteile zu vollstrecken! Jedes einzelne Urteil bedarf deiner Legitimation. Du wirst dabei mit der oberen jüdischen Behörde zusammenarbeiten, die sich Sanhedrin nennt, eine Horde vergreister und törichter Narren, die nichts anderes zu tun haben, als sich noch törichtere Gesetze einfallen zu lassen, mit denen sie ihre armen Gläubigen
Weitere Kostenlose Bücher