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Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Pilatus-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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und holte ein Werkzeug hervor, das gemeinhin als Dietrich bezeichnet wurde. Dann fuhr das Werkzeug mit einem leisen Klicken ins Haustürschloss.

XXIII.
     
    Ich hatte mir die Empfehlung meines Patrons und Gönners zu Herzen genommen und aus Schriften und Büchern alle Informationen über die Provinz Judäa gesammelt, die ich erlangen konnte. Da meine eigene Bibliothek beziehungsweise die meines Vaters zu diesem Thema nichts hergab, war ich gezwungen, die öffentlichen Bibliotheken aufzusuchen. Ich tat dies ungern, zum einen, weil Männer meines Ranges eigentlich über eine solche Bibliothek hätten verfügen müssen, zum anderen musste ich tausend Hände schütteln, tausend Glückwünsche entgegennehmen, denn meine Beförderung hatte sich in Windeseile herumgesprochen. Doch – den Göttern sei Dank! – hatte der gute Asinius Pollio schon vor mehr als sechzig Jahren eine ordentliche öffentliche Bibliothek einrichten lassen und der göttliche Augustus auf dem Palatin in Sichtweite des Apollotempels eine weitere gut bestückte Bibliotheca errichtet, die mir nun von Nutzen waren. Außerdem stand mir das Staatsarchiv zur Verfügung, dessen mürrische Sklaven ich allerdings erst auf Trab bringen musste.
    Viel war es insgesamt nicht, was ich an Informationen erhielt, dafür erschien die ferne Provinz doch zu unbedeutend. Aber selbst das Wenige wollte mir nur zum geringen Teil gefallen: Als Erstes fiel mir auf, dass die Juden ganz offensichtlich lediglich an einen Gott glaubten und der unerschütterlichen Überzeugung waren, dass er allein der Richtige sei. Das widersprach meinen und damit den römischen Grundsätzen von religiöser Toleranz voll und ganz. Wie man weiß, gehen wir Römer sogar gerne so weit, dass wir die Gottheiten anderer, von uns besiegter Völker übernehmen, obwohl wir doch selbst nicht gerade wenige haben. Aber die Furcht, vielleicht auch die nie ausgesprochene Ahnung, ein anderes Volk könnte Götter haben, deren Macht größer ist als die der unsrigen, ließ uns von jeher zu dieser Überform von Toleranz greifen. Zudem glaubten die Juden, dass dieser Gott, den sie Jahwe nannten, ihnen einen so genannten Messias schicken würde, um sie von aller Unbill zu befreien. Damit konnte ja jedenfalls zurzeit nur die römische Fremdherrschaft gemeint sein.
    Seianus hatte Recht, sie mussten alle verrückt sein. Auf was hatte ich mich da eingelassen? Als religiöse Eiferer, und das waren die meisten von ihnen, duldeten sie vieles nicht, was in anderen Provinzen völlig normal war. (Das sollte ich schon bald am eigenen Leib spüren!) Darüber hinaus erfuhr ich, dass Pompeius vor mehr als neunzig Jahren sich durch den Sieg über den armenischen König Tigranes der Provinz Syrien bemächtigt hatte und damit auch des Gebiets Judäa. Cäsar hatte den Juden verschiedene Privilegien eingeräumt, seine Nachfolger hatten sie ihnen bis zum heutigen Tag gelassen. Eine Auflistung im Staatsarchiv zeigte mir, dass die Provinz Judäa erst seit zwanzig Jahren unter einem römischen Präfekten stand und es bislang vier Vorgänger gab, von denen mir lediglich Valerius Gratus, mein unmittelbarer Vorgänger, namentlich bekannt war. Außerdem hieß der jüdische Oberpriester, der offensichtlich eine herausragende Rolle im Lande spielte, Joseph ben Kaiaphas. Valerius Gratus hatte ihn eingesetzt, und Seianus hatte mir empfohlen, ihn und seine Loyalität einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Nötigenfalls könnte ich einen neuen Hochpriester einsetzen, allerdings gälte es, gewisse Beziehungen zu berücksichtigen, die Kaiaphas zum Kaiser habe. Näheres hatte Seianus nicht erwähnt.
    Ausgerüstet mit diesem wenigen Wissen eilte ich nach Hause, um meinem Weib die neue Aufgabe zu erklären.
    Ich begab mich in das Atrium unseres Hauses und befahl einer Sklavin, Claudia zu mir zu bitten. Außerdem orderte ich gekühlten Wein und etwas Obst. Jetzt zur Mittagszeit brannte die Sonne schon heftig, und eine Erfrischung tat gut. Während ich mich auf die Marmorbank neben dem kleinen Springbrunnen setzte und beobachtete, wie die Wasserfontänen in ein Nichts auseinander stoben, um wenig später doch wieder zu einem kühlenden Strahl zusammenzufinden, hing ich meinen Gedanken nach. Ein wenig fürchtete ich doch Claudias Reaktion, galt es doch, das mondäne Rom mit einer unzivilisierten Wüstenstadt zu vertauschen. Umso überraschter, ja erfreuter war ich, als sie mich auf beide Wangen küsste und mit fester Stimme sagte: »Als wir die Ehe

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