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Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Pilatus-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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geordnet hatte. »Ja, hab ein paar Tage Urlaub.«
    »Gut, mein Schatz, ich auch. Also reg dich nicht auf. Komm morgen, wenn du ausgeschlafen hast. Klingel bei Diederichs, ich bleib die Nacht hier. Und ...«
    »Ja?«
    »Mach dir keine Gedanken!«
    »Äh ... wie?« Dieser Satz kam ihm bekannt vor.
    Lachend legte Conny Baumeister auf.

    ***

    Missmutig betrachtete Boris das Haus und stellte das Radio lauter. Ein leichtblütiger Walzer von Strauß erfüllte das Wageninnere, und der Mann begann, sich im Walzertakt mitzuwiegen – ein seltsames Bild, denn die leichte Musik schien nicht zu der groben Erscheinung des Mannes zu passen. Er hatte sich seiner Kutte entledigt und in einen dicken, schwarzen Wintermantel gewickelt, die sternenklare Nacht war doch ordentlich kalt.
    Sie war ihm entwischt. Keine Ahnung, wie sie es angestellt hatte. Er hatte die Wohnung ohne Probleme geöffnet und durchsucht, aber weder von der Frau noch von den Rollen etwas gefunden. Der Rest interessierte ihn nicht. Nicht die zarten Dessous, nicht die Münzsammlung, nicht die pikanten Bilder vom letzten Urlaub. Er war doch kein Dieb, kein Voyeur! Sicher war sie bei einem Nachbarn untergetaucht. Cleveres Mädchen! Ob sie die Polizei gerufen hatte? Er schüttelte den Kopf und griff nach der Thermosflasche, die er mitgenommen hatte. Nein, die wäre wohl schon hier. Dankbar ließ er den heißen Tee durch seine Kehle rinnen, dazu ein Baguette mit Wurst und Knoblauch. Ein Genuss! Er lehnte sich entspannt zurück und lauschte den Klängen des Radios. Morgen würde er es noch einmal probieren. Und so lange würde er das Haus beobachten. Er richtete sich auf eine lange Nacht ein. Das war er der Eminenz schuldig.
    Die harten Züge des Mannes wurden weich, und ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, wenn er an Rom und den verehrten Kardinal zurückdachte. Der Kardinal hatte ihm einst das Leben gerettet. Das war lange her, sehr lange, aber er würde es nie vergessen. Seine Gedanken schweiften weit zurück in die Vergangenheit, zurück in das kleine, arme Dorf in Jugoslawien, unweit von der Hauptstadt, wo er in völliger Armut mit seinem Zwillingsbruder und fünf weiteren Geschwistern aufgewachsen war.
    Den Vater hatte er kaum gekannt. Er war bei einem Unglück im Bergwerk umgekommen, da war Boris gerade einmal sieben Jahre alt. Und nun bemühte sich die Mutter alleine mit den Kindern. Ein vages Gefühl der Zärtlichkeit erfüllte den harten Mann, wenn er an seine Mutter dachte, ihre schwieligen Hände vor sich sah, ihren Atem spürte, wenn sie ihn zur Nacht drückte.

    Sie hatte sich wahrhaftig den Buckel krumm geschuftet, um die vielen Mäuler stopfen zu können. Und doch hatte es nie für Fleisch oder andere Delikatessen gereicht, die er nur von den Beschreibungen seiner Freunde kannte. Was für ein karges Leben! Er hätte die ärmlichen Häuser und die schmalen Gassen in allen Einzelheiten beschreiben können, als wäre er gestern dort gewesen. Und doch lagen mehr als dreißig Jahre dazwischen, zwischen heute und jener unseligen Zeit.
    Ein blutjunger Bursche war er gewesen, gerade achtzehn Jahre alt. Wie so viele aus seinem Dorf hatte er von Schmuggel und kleinen Diebstählen gelebt. Bis ... ja, bis zu jener Nacht im schneeverhangenen November, in der er und seine Kameraden einen Polizisten getötet hatten. Warum musste der Mann ihren schrottreifen Kleinlaster auch mitten auf der Straße anhalten. Und besoffen musste er auch gewesen sein, so wie er gelallt hatte.
    »Aus... Ausweispapiere! Was ... habt ihr geladen?«
    Und bevor er sich noch über die Ladung aus Zigaretten und Alkohol hermachen konnte, hatte Boris ihm schon mit dem Wagenheber einen neuen Scheitel gezogen. Zu fest, ohne Zweifel! Der Mann war an Ort und Stelle verblutet, und Boris saß einen Tag später in Haft. Seine netten Kameraden und selbst sein Zwillingsbruder hatten nicht gezögert und seinen Namen preisgegeben.
    Prozess, Todesurteil, wie im Rausch waren die Tage vergangen, nur noch an die Tränen der Mutter kann er sich wirklich erinnern, wie sie in Sturzbächen über die ausgemergelten Wangen flossen. »Maria, steh uns bei«, hatte sie immer wieder gerufen. Und irgendjemand musste dieses Rufen erhört haben.
    Denn plötzlich war wie aus dem Nichts jener Mann gekommen, der in Belgrad als Nuntius des Vatikans amtierte. Durch die Presse war er auf das Schicksal des jungen Mörders aufmerksam geworden. Es kam ihm manchmal vor, als wäre es gestern gewesen, dass der schlanke, hoch

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