Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
gewachsene Geistliche in seiner eleganten Soutane mit dem roten Kardinalshut durch die Tür seiner Zelle getreten war. Er hatte mit ihm ein langes Gespräch geführt, ihm die Beichte abgenommen und Gefallen an dem jungen Mann gefunden, den nur die widrigen Umstände, wie er zu sagen pflegte, zum Mörder werden ließen.
Wie er es arrangiert hatte, wusste nachher niemand zu sagen, jedenfalls flogen beide, der junge Mörder und der päpstliche Nuntius, drei Tage später mit einem Flugzeug der »Alitalia« nach Rom. Selbst das Fernsehen hatte über jene seltsame Fügung berichtet, die Zeitungen brachten gar Bilder von »dem Kardinal und dem Mörder«, wie sie marktschreierisch getitelt hatten. Niemand wusste so recht, wie es dazu gekommen war. Der Vatikan musste wohl über ganz spezielle Beziehungen zum Tito-Regime verfügt haben.
Von da an liebte Boris seinen Retter abgöttisch und folgte ihm wie ein Hund. Und so ein hoher Herr hatte manche Aufträge zu vergeben, von denen seine purpurroten Kollegen wohl eher nichts wussten. Nichts Kriminelles, bei Gott nicht, aber geheim waren sie schon, diese Aufträge. Mal war ein Brief zu überbringen, mal ein Kardinal zu beobachten. Mitunter stattete Boris auch die Wohnungen gewisser Leute mit Wanzen und Kameras aus, worauf er sich besonders verstand. Und wenn der hohe Kardinal zu seinem geheimen Zirkel ging, war Boris immer dabei und musste aufpassen, dass kein Unbefugter in die Nähe kam. Oh ja, er hatte schon viel für den hohen Herrn getan und würde doch nie die Schuld abtragen können, die er gegenüber dem Kardinal empfand. Boris seufzte und gönnte sich einen weiteren Schluck aus der Kanne. Er hatte etwas Rum zugesetzt, das machte das Getränk bei dieser Kälte süffiger. Und nun war er für die Eminenza in Deutschland, nicht zum ersten Mal. Und wie damals würde er den Auftrag erfolgreich zu Ende bringen, der Kardinal würde schon sehen.
Inzwischen hatte Smetanas Moldau Strauß abgelöst. Boris wurde müde und schlief ein. Kopfschüttelnd betrachtete ein später Passant den schlafenden Mann.
XXV.
Um die Nonen des Juni brachen wir auf. Die »Diana«, ein Schnellsegler der Flotte, brachte uns bei ruhiger See von Puteoli nach Cäsarea. Vorher hatten wir alles in Rom geordnet. Das Haus blieb in der Obhut unseres treuen Verwalters, des Freigelassenen Gabinius. Weiler mein einziger Vertrauter dort war, hatte ich mit ihm verabredet, dass er mir in regelmäßigen Briefen nicht nur Abrechnung über die Verwaltung des Gutes zu erteilen, sondern stets auch alle Neuigkeiten Roms zu übermitteln hatte. Wir hatten uns von Freunden und Familie verabschiedet und den halben Hausstand unter Claudias sachkundiger Leitung in Truhen und Kisten verpackt. Dies alles geschah im Jahre 779 nach Gründung der Stadt, und wir wussten nicht, ob und wann wir Rom wiedersehen würden. Neben einigen wenigen Sklaven hatte ich nur meinen persönlichen Adjutanten Cornelius aus Rom mitgenommen, der keinen Augenblick gezögert hatte, meiner Bitte Folge zu leisten, dazu eine kleine Truppe von zwanzig Mann zu unserem persönlichen Schutz. Bei strahlendem Sonnenschein und sengender Hitze erreichten wir den prächtigen kleinen Hafen von Cäsarea, der schon von weitem an seinem Leuchtturm zu erkennen war. Zwei mächtige Molen, auf denen weiß getünchte, in der Sonne blendende Lagerhäuser standen, dienten als Wellenbrecher, bildeten aber zugleich eine ausreichende Einfahrt. Mehrere gewaltige Bronzestatuen standen auf diesen Molen, die Augustus, Cäsar, Tiberius und andere Mitglieder der kaiserlichen Familie darstellten.
Mein Blick wanderte landeinwärts und wurde von dem Anblick eines großen, freien Platzes festgehalten, der von einem monumentalen Tempel beherrscht wurde.
»Der Tempel des göttlichen Augustus«, raunte mir Phaidonius, der Kapitän der »Diana«, ehrfürchtig zu. »Die ganze Stadt ist dem großen Princeps gewidmet. Herodes wollte es so.«
Ich nickte, das war mir bekannt. Und da ich den Augenblick in Ruhe genießen wollte und mir nicht nach Unterhaltung war, ließ ich ihn dies durch eine Handbewegung erkennen.
Im gleichen Augenblick trat Proculeia neben mich. »Unsere neue Heimat?«
»Für eine gewisse Zeit gewiss, Liebste. Gefällt sie dir?«
»Ich weiß noch nicht. Sie sieht sehr römisch aus, zugleich aber auch sehr fremdartig. Und diese Hitze.« Sie schaute mich nachdenklich an. »Wird sie uns Glück bringen, Pontius?«
Ich griff nach ihrer Hand. »Die Götter werden mit uns
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