Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
an ihn glaubt, der werde das ewige Leben haben.«
»Das ewige Leben«, meinte ich nachdenklich, »wollen wir das nicht alle? Ein kluger Mann, dein Jesus, so gewinnt man die Herzen der Zuhörer. Aber sag, sein Vater, war das nicht der Schreiner in Nazareth? Und zu dem will er zurück?«
Cornelius schüttelte entschieden den Kopf. »Wenn ich etwas verstanden habe, dann, dass er nicht ihn meint. Überdies ist jener schon seit Jahren tot.«
»Tot? So hat er ... noch einen Vater? Wie soll ich das verstehen?«
Cornelius blickte mich mit unendlicher Langmut an, so wie ein Vater, der seinem fünfjährigen Sohn die Staatslehre Platons erklären will.
»Es handelt sich nicht um seinen ... irdischen Vater. Er spricht vielmehr von seinem himmlischen Vater. Der, der ihn als Erlöser geschickt hat.«
Das musste ich erst verdauen.
»Himmlischer Vater? Erlöser? Dieses Wort schon wieder? Cornelius, Cornelius, wie hast du dich verändert! Als Römer, als stolzen Sohn der Wölfin nahm ich dich mit in dieses Land. Als Römer und als Freund. Und jetzt stopfst du mir die Ohren von diesem Unsinn voll und unterscheidest dich in nichts mehr von diesen abergläubischen Bauern hier. Und was ist mit unseren Göttern? Mit dem mächtigen Jupiter, der stolzen Juno, mit Minerva und ...«
Ich brach ab. Etwas Verkehrteres, als unsere Götter aufzuzählen, hätte ich nicht machen können, wie ich an seiner schmerzvoll verzogenen Miene ablesen konnte. Nichts verband ihn mehr mit diesen Gestalten unserer alten Götterwelt. Für ihn waren sie gestorben. Hatten sie überhaupt je gelebt? Ich hatte ihn verletzt und war sogleich um einen freundlicheren Ton bemüht.
»So glaubst du an die Prophezeiungen der Juden, die ihnen einen Messias versprochen haben, alter Freund?«
Seine Miene hellte sich auf, seine Worte waren voller Wärme und Begeisterung.
»Ja, Präfekt. Ich glaube daran. Und ich glaube mit ganzem Herzen, dass jener Jesus von Nazareth dieser Messias ist. Er ist gekommen, um Heil und Segen auf diese Welt zu bringen, und zwar allen, Juden und Römern, Griechen und Parthern, Numidiern und Germanen. Wo auch immer der Strahl unserer Sonne sich niederlässt, wird dieser Mann ...«
Die letzten Worte habe ich vergessen, man verzeihe es mir. Doch habe ich Cornelius nie so euphorisch erlebt. Noch lange, nachdem er mich verlassen hatte, musste ich an diese Worte denken, sie gingen mir nicht mehr aus dem Sinn.
Und schon am nächsten Morgen wurde mir der Name dieses seltsamen Predigers nachdrücklich ins Gedächtnis zurückgerufen.
»Jetzt ist es genug!«, schrie Kaiaphas, und der Speichel spritzte aus seinem verkniffenen Mund, seine kleinen Augen blitzten, und das asketische Gesicht verzog sich in kaltem Zorn. Wir wandelten durch die Säulengänge der Antonia (immerhin das gestattete ihm sein Glaube!), und ich musste mir bittere Vorwürfe anhören.
»Zu lang, hörst du, viel zu lang hast du abgewartet. Immer wieder habe ich dich gebeten, gedrängt, ja, aufgefordert, etwas zu unternehmen. Ich habe dir Beweise vorgelegt, Berichte. Zeugenaussagen. Aber du ...!«
Ich hob abweisend die Hand. So sprach man nicht mit dem Präfekten von Judäa. Ich versuchte den Mann zu beruhigen, obwohl ich innerlich kochte.
»Was genau wirfst du diesem Mann vor, edler Kaiaphas?«
»Aufruhr! Verrat! Gotteslästerung! Und ...«, er warf mir einen tückischen Blick zu, »Verrat an Rom, am Kaiser selbst. Es kann nicht mehr lange dauern, und er wird bewaffnete Männer um sich scharen. Er spielt sich wie ein König auf, ein König der Juden. Müsste ein solcher nicht von Rom eingesetzt werden?«, fragte er lauernd.
Und bevor ich antworten konnte, fuhr er schon erregt fort: »Und wie er unseren Gott verhöhnt!« Kaiaphas’ Gesicht nahm einen verzweifelten Ausdruck an. »Den Tempel, unseren Tempel«, er wies mit großer Geste auf den Tempel hinter uns, »den will er niederreißen und in drei Tagen wieder aufbauen!«
Voller Verachtung spie er diese Worte aus.
»Woher ... woher weißt du das?«
Kaiaphas griff in sein Gewand und brachte mehrere Schriftrollen zum Vorschein.
»Hier, alles von Zeugen aufgeschrieben und beeidigt. Kein Zweifel, der Mann ist eine große Gefahr für uns alle. Und wie wird der große Tiberius in Rom reagieren, wenn er erfährt, dass sein Statthalter trotz Kenntnis der Gefahr nicht einschreitet?«
Für eine Sekunde durchzuckte mich ein ungewisses Angstgefühl. Tiberius? Rom? Sollte Kaiaphas etwa ...
»Was also willst du von mir?«
»Lass ihn
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