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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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Vaters gegeben hatte.
    Frohgemut machte Robyn sich auf den Weg von der Papstburg zum „Coq au Sud“. Gleich nach seiner Rückkehr würde er sich um Jérôme kümmern, der bei seinem Aufbruch am Morgen noch geschlafen hatte.
    Das Frühmahl, das Marie ihm vorgesetzt hatte, eine Schale dünner Grützsuppe, hatte seinen Hunger nicht gestillt, und so hatte während der Audienz bei Monsignore Petrocelli sein Magen mehrmals vernehmlich geknurrt. Indes hatte der Gottesmann, der, wenn man aus seinem stattlichen Leibesumfang schloss, einer guten, mehrgängigen Mahlzeit nicht abgeneigt war, ihm keine Stärkung angeboten, sondern in frömmelndem Ton angemerkt: „Ah, Chevalier, Ihr seid nicht nur in einer Mission zum Wohle der Christenheit unterwegs, sondern kasteit Euch auch noch, indem Ihr während der Reise fastet. Sehr löblich. Das wird dem Herrn gefallen, und er wird Euch manch eine Eurer Sünden vergeben.“
    Selbstgefällig hatte er das Kreuz geschlagen und dann seine Wurstfinger über dem feisten Bauch verschränkt. Robyn hatte sich jede Bemerkung darauf verkniffen und auch sein Mienenspiel im Zaum gehalten. Auf keinen Fall wollte er den Monsignore verärgern, da er sich Hilfe von ihm für Pierre erhoffte.
    Nun erreichte er den Marktplatz von Avignon, wo Händler aus der Stadt und der näheren Umgebung ihre Waren feilpriesen. Beim Anblick der Köstlichkeiten – erlesenes Wildbret, deftige Würste, geräucherte Schinken und vielerlei Sorten von Obst und Gemüse, ganz zu schweigen von herrlich duftenden Pasteten und frischem Brot – lief ihm das Wasser im Munde zusammen, und erneut meldete sich sein Magen mit einem vernehmlichen Knurren. Am Stand einer Marktfrau, die ihre Hühner anpries, blieb er stehen und erstand, ungläubig angestarrt von der Geflügelhändlerin, denn es war ganz und gar nicht üblich, dass ein Chevalier höchstselbst Einkäufe tätigte, einen fetten Kapaun und am Nachbarstand etwas Wurzelgemüse und Lauch, die als Beilage dienen sollten.
    Am Ende des Marktplatzes fand er einen Händler, der Getreide, Hafer und Heu feilbot, und beauftragte ihn, umgehend jeweils eine größere Menge davon zum „Coq au Sud“ zu liefern, denn er wollte nicht, dass sein Adomar oder Filou, Jérômes Wallach, und das Packpferd Hunger litten.
    Zunächst weigerte sich der Händler, denn ihm war bekannt, dass der Wirt wegen ketzerischer Behauptungen eingekerkert war, doch ein herrischer Blick und eine silbern schimmernde Münze zusätzlich zum Kaufpreis ließen den Mann seine Bedenken vergessen. Eilfertig verbeugte er sich vor dem Ritter und versicherte, das Gewünschte umgehend zum „Coq au Sud“ karren zu lassen.
    Beschwingt von der Aussicht auf eine kräftige Mahlzeit, die er hoffte, bereits mit Jérôme teilen zu können, und in der Gewissheit, Joséphine eine gute Nachricht bezüglich ihres Gemahls überbringen zu können, kaufte Robyn noch einige saftige Pfirsiche, um seinen stärksten Hunger zu stillen, sowie ein frisch gebackenes feines Weißbrot und setzte seinen Weg durch die schmalen Gassen mit den schiefen Fachwerkhäuschen fort.
    Doch nicht nur den Chevalier im fernen Avignon plagte der Hunger.
    Während des Abstiegs war Leonor vom Kummer über Annas Tod von dem bohrenden Nagen in ihrem Magen abgelenkt worden. Ebenso wie von der Zuversicht, dass sich in dem kleinen Forst, über dem sich die dünne Rauchsäule erhoben hatte, eine Hütte befand, die von Menschen bewohnt war.
    Als sie nun den Rand des Waldstücks erreichte, blieb sie stehen und wandte sich um, um einen letzten Blick zu der Anhöhe zu werfen, wo Anna ihr das Leben gerettet und dabei den Tod gefunden hatte. Auch Tarras hielt inne und schaute in dieselbe Richtung wie seine neue Herrin.
    „Danke, Anna“, murmelte Leonor. „Mögest du in Frieden ruhen. Und so Gott will, sehen wir uns am Tage der Auferstehung wieder.“
    So schnell ihre müden, schmerzenden Füße sie trugen, folgte sie dem schmalen Pfad durch das Tannenwäldchen. Schon bald erreichte sie eine kleine Lichtung, an deren Rand von einem Baum, den der Blitz getroffen hatte, noch einige Rauchschwaden aufstiegen.
    Leonor schlug die Hände vors Gesicht, sank auf die Knie und begann hemmungslos zu schluchzen. So hatte Anna also doch recht gehabt – es war nur ein brennender Baum gewesen, von dem der Rauch aufgestiegen war, und keine menschliche Behausung.
    Von Schmerz, Hunger und Verzweiflung über ihre schier aussichtslose Lage gepackt, krümmte Leonor sich auf dem mit Moos

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