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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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Träumten nicht alle Ritter davon, auf einem Kreuzzug großartige, heldenhafte Taten zu vollbringen? Jedenfalls hatten ihr Bruder und seine Freunde häufig davon gesprochen.
    „Zwar ist die Zeit der Kreuzzüge nun schon lange vorbei, aber wäre es nicht Euer Wunsch als christlicher Ritter gewesen, ins Heilige Land zu ziehen und Jerusalem zu erobern?“
    Überrascht ob des abrupten Themenwechsels, hob Robyn den Kopf und sah seinen Knappen an. In der Tat, so manches Mal hatte er als Jüngling daran gedacht, wie es wohl gewesen wäre, an einem der Kreuzzüge, wie Gottfried de Bouillon ihn unternommen hatte, teilzunehmen. Damals hatte er sich einen solchen Zug als ein einziges großes Abenteuer vorgestellt. Doch dann hatte er gehört, zu welch unglaublichen Grausamkeiten es dabei gekommen war, und sich gefragt, ob dies nicht völlig unvereinbar mit den christlichen Werten und dem Sinn eines solchen Unterfangens war. Warum konnten sich die Menschen nicht auch ohne Krieg und Blutvergießen einigen? Mit dieser Meinung, wenn er sie denn einmal offen geäußert hatte, war er allerdings immer nur auf Entrüstung und Unverständnis gestoßen, sogar bei geistlichen Herren, die ansonsten Nächstenliebe und Friedfertigkeit predigten. Also hatte er kein Wort mehr zu diesem Thema verlautbart.
    Und so war er froh gewesen, dass der König, nachdem er seine ritterlichen Künste auf dem Turnierplatz wahrgenommen und sich von seiner Klugheit überzeugt hatte, ihn dazu auserkoren hatte, als Geheimkurier für ihn tätig zu werden. Diese Aufgabe befriedigte seine Abenteuerlust, erfüllte sein Leben mit Sinn, und er war nicht gezwungen, sich in blutigen Kämpfen beweisen zu müssen wie zum Beispiel in dem Krieg gegen England, der mit einigen Unterbrechungen nunmehr bereits an die dreißig Jahre dauerte und nur deshalb ausgebrochen war, weil Edward III. von England, der Enkel von König Philippe IV., sich 1340 auch zum König von Frankreich erklärt hatte. Zwar hatte der Monarch 1360 dann auf die französische Krone verzichtet und dafür Calais, Ponthieu und Aquitanien erhalten. Dennoch waren im Jahre 1369 die Kriegshandlungen erneut ausgebrochen und hatten wiederum diplomatische Verhandlungen und Geheimmissionen erforderlich gemacht.
    Bedächtig schüttelte Robyn den Kopf. „Nein, nach Schlachten und Kreuzzügen steht mir nicht der Sinn. Wie ich auch ganz allgemein nicht sehr viel von kriegerischen Auseinandersetzungen halte.“ Als er sah, wie sein Knappe ihn darauf verblüfft, aber auch bewundernd ansah, fügte er hinzu: „Warum hat Gott den Menschen Verstand gegeben?“ Er verzog spöttisch die Lippen. „Nun, offensichtlich nicht allen Menschen, denn dann gäbe es keine Kriege mehr. Nein …“, wiederholte er energisch, „… ich bin nicht der Meinung, dass man die Dinge auf dem Schlachtfeld regeln kann.“
    Leonor hob die Augenbrauen. Was für eine ungewöhnliche Ansicht – dazu noch aus dem Munde eines Ritters, der den Eindruck machte, als könne er nichts besser, als sein Schwert und seine Lanze zu führen.
    „Ihr überrascht mich, Sieur. Indes scheint Ihr mir ein Mann zu sein, der über viele außergewöhnliche Fähigkeiten verfügt.“ Sie warf einen Zweig ins Feuer, das bereits ein wenig niedergebrannt war. Spontan fügte sie hinzu: „Es ehrt mich, dass ich der Schildknecht eines Ritters wie Euch sein darf – so Ihr denn tatsächlich meine Dienste in Anspruch nehmen wollt.“
    Nun, dachte Robyn, wenn ich denn ein außergewöhnlicher Ritter bin, so habe ich einen ebenso außergewöhnlichen Knappen gefunden. Er streckte die Hand aus und umfasste die Rechte seines Schildknechts, die zwar einige Schwielen aufwies, doch überraschend schmal und zart war. „Sei willkommen, Leon, in meinen Diensten. Mir scheint, dass wir beide recht gut zueinanderpassen.“
    Vor Freude errötete Leonor, doch diesmal würde der Chevalier es im Schein der Flammen nicht sehen. „Habt Dank, mein Ritter. Ihr werdet es nicht bereuen. Seid versichert, einen treuen und ergebenen Knappen in mir zu haben.“
    Nun, das wird sich erweisen, dachte Robyn.
    Eine Weile schwiegen sie. Bis Leonor, die so viele Tage allein verbracht hatte, ohne mit jemandem reden zu können, erneut das Gespräch suchte.
    „Mögt Ihr mir nicht ein wenig über Euch verraten, Chevalier, nun, da Ihr mich in Euren Dienst aufgenommen habt?“
    Robyn war nicht nach einer Unterhaltung zumute, deshalb antwortete er knapp: „Ich bin der jüngste Sohn des Comte de

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