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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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hier“, sagte Robyn und hielt seinen Hengst an, um erneut die Umgebung in Augenschein zu nehmen. So recht schien ihm kein Ort für eine Übernachtung geeignet zu sein. Doch die Sonne hatte den westlichen Horizont schon fast erreicht, und sie mussten ihr Lager aufgeschlagen haben, bevor es dunkel wurde. Zudem galt es, zuvor noch Holz zu sammeln, um ein ordentliches Feuer zu errichten. Wölfe vermutete Robyn in dieser kargen Einöde zwar nicht, aber man konnte nie wissen. Immerhin gab es als Beute einige Wildziegen.
    „Was meinst du, Leon?“, wandte er sich an seinen neuen Knappen, um diesen auf die Probe zu stellen. „Wo würdest du hier am ehesten nächtigen?“
    Leonor hatte ebenfalls ihr Pferd angehalten und sah sich erneut um. Nirgends erblickte sie ein einladendes Plätzchen. Auch gab es keinen Bach oder Teich, wo man die Pferde hätte tränken und die Wasservorräte hätte auffüllen können. „Am liebsten nirgendwo“, erwiderte sie offen. „Alles sieht so unwirtlich und abweisend aus. Nicht einmal Gras gibt es, das die Pferde abweiden könnten.“
    Robyn war erfreut, dass Leon nicht nur an das eigene Wohl, sondern auch an das der Reittiere dachte, die nach dem Ritt in der Hitze ebenfalls erschöpft waren.
    „Was haltet Ihr von der Mulde dort?“ Leonor deutete auf eine kleine Senke, in der mehrere große Felsbrocken lagen, die bei einem menschlichen Angriff ein wenig Schutz bieten mochten. Allerdings, wer sollte sie hier in dieser Einöde angreifen? Auf einer Seite wurde die Mulde von einem Gehölz aus Krüppelkiefern begrenzt, sodass die Aussicht bestand, dort wenigstens Feuerholz zu finden.
    Robyn nickte. „In Anbetracht der beschränkten Möglichkeiten, die wir haben, eine gute Wahl. Ich selbst hätte mich auch für diesen Platz entschieden.“
    Es erfüllte Leonor mit Stolz, dass der Chevalier ihr zustimmte, und als er seinen Hengst in Bewegung versetzte, folgte sie ihm.
    In der Senke angekommen, saßen sie ab, banden die Pferde an den Ästen der Kiefern fest, nahmen ihnen Sattel und Packtaschen ab und begannen sogleich damit, Äste und Zweige für das Feuer zu sammeln. Das Holz war so trocken, dass es keiner großen Mühe bedürfen würde, es zu entflammen.
    Zwischen zwei der Felsbrocken häuften sie das Brennmaterial an, und bald darauf hatte Robyn ein munteres Feuer entfacht. So gut es ging, tränkten sie danach die Pferde aus den mitgebrachten Wasserschläuchen und gaben ihnen etwas Hafer aus einem der Säcke, die das Packpferd trug. Und auch Tarras wurde mit Wasser versorgt.
    Leonor öffnete eine der Satteltaschen, in denen sich, für den Fall, dass man wie heute im Freien übernachten musste, einige Vorräte befanden. Tarras, den offenbar der Hunger plagte, kam herbei und schnüffelte erwartungsvoll daran.
    Inzwischen war die Sonne untergegangen, und Dämmerung hatte sich über das Land gelegt. Doch die Flammen des Feuers erhellten die nähere Umgebung, als Leonor und Robyn sich niederließen, um ihr Nachtmahl einzunehmen.
    Herrschaft und Hund teilten sich Trockenfleisch, Käse und Brot, wobei Leonor und Robyn ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen, am nächsten Tag eine besiedelte Gegend zu erreichen, wo sie ihre Vorräte wieder aufstocken konnten.
    Nachdem sie den ersten Hunger gestillt und sich gestärkt hatten, begann Robyn seinem neuen Knappen ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Er erkundigte sich nach dessen vormaligem Ritter, dem Chevalier de Riberac, und wollte wissen, woher Leon denn stamme und wer seine Eltern seien. Doch er erhielt nur knappe, ausweichende Antworten, die ihn stutzig machten und weiterhin an der Identität des Jünglings zweifeln ließen. Ein Geheimnis umgab den jungen Mann – wenn er denn einer war –, doch er wäre nicht Robyn de Trouville, Kurier des Königs, wenn er diesem Geheimnis nicht auf die Spur käme.
    Währenddessen überlegte Leonor verzweifelt, wie sie den Chevalier von seinen unangenehmen Fragen abbringen konnte. Auf keinen Fall durfte sie sich verraten, denn wenn ihm klar wurde, dass sie eine Frau war, würde er sich gewiss von ihr trennen. Und was sollte sie dann tun? Wie allein nach Rom gelangen? Ja, sie hatte es geschafft, aus eigener Kraft die Alpen zu überqueren. Doch sie musste zugeben, dass Gottes Hilfe und viel Glück dabei mit im Spiel gewesen waren. Mit Ritter Robyn würde sie dagegen ganz gewiss wohlbehalten an ihr Ziel gelangen, davon war sie überzeugt. Plötzlich hatte sie eine Idee, wie sie ihn von seinen Fragen abbringen konnte.

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