Die Pilgerin von Montserrat
zurück. Seine Züge entspannten sich, der Körper wurde schlaff. Teresa traten die Tränen in die Augen. Was hatte dieser alte, fromme Mann getan, dass er so grausam sterben musste? Von draußen drangen Schwertklirren und Flüche herein, vermischt mit dem Prasseln des Regens. Teresa drückte dem Mann die Augen zu, faltete die Hände, sprach ein Gebet und ging zur Tür. Froben und Markus waren in einen Kampf mit zwei Reitern verwickelt. Es waren dieselben, die sie schon öfter gesehen hatte, mit langen schwarzen Kapuzenmänteln. Darunter blitzten rote Tatzenkreuze auf. Teresa stand in dem nassen Inferno, presste die Hände ineinander, dann vor den Mund, weil sie die Spannung kaum mehr aushielt. Nach einiger Zeit wurden die Reiter so in die Enge gedrängt, dass sie ihre Pferde umdrehten, ihnen die Sporen gabenund davongaloppierten. Markus wollte ihnen nachsetzen, doch Froben hielt ihn zurück.
»Lass sie ziehen!«, sagte er. »Wo zwei sind, kommen sicher mehr. Wir sollten zusehen, dass wir Land gewinnen!«
Die Gestalten der beiden Reiter wurden immer kleiner und verschwanden hinter der Regenwand. Teresa sah Froben und Markus fragend an. Sie waren durch und durch nass und verdreckt.
»Wir müssen den Eremiten begraben«, meinte Markus. »Wir können ihn nicht einfach so liegen lassen.«
»Dafür haben wir keine Zeit«, entschied Froben. »Wir müssen den Kandelaber finden, ehe es die anderen tun – und womöglich Unheil damit anrichten!«
»Vater, das ist unchristlich!«, protestierte Teresa. »Wenn ich daran denke, dass die Ratten ihn fressen könnten.«
»Er wird bestimmt gefunden, es kommen doch öfter Leute vorbei«, entgegnete Froben. »Oder wir sagen im nächsten Dorf Bescheid, damit man sich um ihn kümmert.«
»Dem muss ich entschieden widersprechen«, sagte Markus mit lauter Stimme. »Es ist unsere verdammte – der Herr sei mir gnädig – Christenpflicht, ihn anständig zu begraben. Nichts auf der Welt ist so wichtig, dass man deshalb seine menschlichen Pflichten vernachlässigen dürfte.«
»Also gut«, meinte Froben besänftigt. »Wir werden ihn ins nächste Dorf mitnehmen.«
»Wie haben die Reiter ihn eigentlich getötet?«, fragte Teresa zaghaft. »Mit Pfeil und Bogen?«
»Einer von ihnen hatte eine schwere Armbrust bei sich. Die konnte er im Nahkampf glücklicherweise nicht anwenden.«
»Hat der Eremit noch etwas gesagt, bevor er starb?«, wollte Froben wissen.
»Ja«, sagte Teresa. »Er sagte: ›Sie sind gekommen … die Jäger der …‹ Das letzte Wort habe ich nicht verstanden. Es klang so wie ›Montaña‹.«
»Montaña, der Berg?« Frobens Augen funkelten. »Damit kannnur das Kloster Montserrat gemeint sein. San Juan de la Peña liegt viel weiter westlich, in einer Höhle der Pyrenäen.« Markus’ Gesicht verfinsterte sich. »Wir sollten jetzt wirklich aufbrechen und unseren Disput auf später verschieben! Nachher kommen die Reiter zurück und überraschen uns, nur weil wir uns nicht einig sind. Ich für meinen Teil würde die Reise am liebsten abbrechen.«
Was sagte Markus da? Abbrechen? Waren sie so weit vorangekommen, um dann einfach umzukehren und den anderen das Feld zu überlassen? War er doch auf der Seite der anderen und spielte ihnen den Kandelaber in die Hände?
»Das kommt nicht in Frage«, sagte Froben in scharfem Ton. »Wir sind schon viel zu weit gegangen, wir können den Feinden das Feld nicht überlassen!«
»Es hat schon zu viele Tote gegeben«, gab Markus zu bedenken. »Ich kann das mit meinem Gewissen nicht länger vereinbaren.«
»Wieso konntest du es mit deinem Gewissen vereinbaren, überhaupt diese Reise mit uns anzutreten?«, fauchte Teresa ihn an. »Bis dahin hatte es schon zwei Tote gegeben.«
»Irgendwann muss man die Zwecklosigkeit seines Tuns einsehen und danach handeln«, meinte Markus, ohne sie anschauen.
»Ich für meinen Teil möchte weiter«, entschied Teresa. »Und wenn du nicht willst, dann reite eben wieder nach Hause.« Sollte er sich doch unter die Fittiche des neuen Abtes verkriechen. Oder unter denen einer anderen Frau. Aber er war ja sowieso an sein Gelübde gebunden. Markus seufzte. »Ich werde euch weiter begleiten, auch das habe ich mir geschworen. Ihr werdet sehen, wohin euch eure Habgier bringen wird.«
Das schlug dem Fass den Boden aus! Habgier? Ihre Beweggründe waren alles andere als niederträchtig. Teresa sah, wie Frobens Gesicht rot anlief, sein Schnauzbart zitterte.
»Wir wollen den Kandelaber finden und die Welt damit
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