Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Bischof, Heiliger oder Papst komme zum Vater außer durch Jesus Christus. Der Abt meinte natürlich auch uns mit, die Mönche und mich und sicher sich selbst, die wir alle ganz und gar auf Jesus Christus angewiesen seien. Allein Jesus Christus sei derjenige, der die Pforte zum Paradies öffne. Jesus Christus sei aber kein Rächer, sondern ein Liebender, so predigte er, der Abt.«
»Du liebst ihn sehr«, sagte Theresa fast zärtlich.
»Wen? Jesus Christus?«
»Das weiß ich nicht, wie sehr du Jesus Christus liebst. Ich meine, ihn, den Abt, liebst du sehr.«
»Ich liebe dich.«
Theresa blickte Martin mit ihren schönen Augen an. Wie lange hatte nun Martin dieses sagen wollen. Es war ihm so schwer gefallen. Nun sprach es sich so leicht wie natürlich.
»Ich liebe dich. Ich möchte dich heiraten.«
Theresa nahm Martins Hand, öffnete sie, fuhr mit dem Finger über seine Handlinien.
»Ein langes Leben erwartet dich.« Sie beugte sich zu seiner Hand und küsste sie.
»Ja, Martin, ich möchte deine Frau werden. Ich wünsche es mir schon, seitdem ich dich in Nikäa gesehen habe und dieser Mönch dich immer umsorgte und bewachte vor mir.«
Martin lachte.
Er nahm Theresas Gesicht. Bereitwillig erwiderte sie seinen Kuss. Doch als zärtlich seine Hand tiefer fasste, drückte sie ihn weg.
»Lass uns warten. Bis wir verheiratet sind.«
Martin seufzte, ließ aber von ihr ab.
Dann jedoch entschied Theresa unerwartet:
»Es sind schon so viele gestorben. Lass es uns jetzt tun.«
Theresa wachte auf und blinzelte. Unwillkürlich schätzte sie die Tageszeit. Nach der Stille zu urteilen, die auf unsichtbaren Wegen aus dem Lager zu ihr drang, schienen noch alle zu schlafen. Jedoch aus der Farbe des Lichts, dem ein Loch in der Zeltwand den Weg freigab und das sich jetzt grau im Zelt ausbreitete, schloss Theresa, dass es schon früher Morgen sein müsste. Sie fand, es war verwunderlich für eine in der Kindheit so behütete Kaufmannstochter, dass die zerrissene Zeltwand Alice eigentlich nicht sonderlich störte. Unbekümmert hatte sie einfach einen Eimer unter das Leck gestellt.
Draußen begann es wieder zu regnen.
Theresa horchte auf das gleichmäßige Klacken der Wassertropfen, das sie schläfrig machte und auch beunruhigte. Wie noch bei diesem unaufhörlichen Regen das Zelt reparieren?
Denk etwas Freundliches, forderte Theresa sich auf, oder schlaf noch ein bisschen.
Und während sie mit geschlossenen Augen auf dem Rücken lag, vernahm sie Martins sanften Atem, auf den sie andächtig lauschte. Wie sie nun ganz still dalag, durchflutete Theresa ein ungewohntes Glücksgefühl. Sie liebte und sie wurde geliebt. Mehr noch, sie gehörte zu den wenigen Frauen, die aus Liebe heirateten und nicht aus dynastischen Gründen oder weil es der Vater beschlossen hatte. Wäre sie in Lothringen geblieben, sie wäre verheiratet worden, wahrscheinlich mit einem Bauern. Diese Pilgerfahrt aber versammelte Menschen aus aller Herren Länder, hatte sie zu Martin geführt. Theresa stützte ihren Kopf auf ihren Arm und schaute zu Martin. Behutsam und zärtlich beugte sie sich über sein Gesicht, das nun im Schlaf fast kindlich entspannt und hingegeben wirkte.
Vor allem jung, jung und zärtlich. Es war Theresa als offenbare sich Martins Seele im Schlaf. Ohne ihn zu berühren, liebkoste Theresa Martins Augen, sein Haar, seine Stirn, seinen Mund.
Martin wurde unruhig, drehte sich um, sodass Theresa deutlich den Schnitt auf seiner Wange erkennen konnte, den er sich bei der Schlacht um die Steinerne Brücke zugezogen hatte. Es würde eine Narbe bleiben, das war sicher. Wie viele Kämpfe wären noch zu bestehen, bevor das Heer endlich Jerusalem erreichte?
Die Zeltwand öffnete sich und Alice, ziemlich durchnässt, schlüpfte hinein. Eng um den Kopf hatte sie ein Tuch geschlungen.
Sie will immer noch nicht erkannt werden, wenn sie beim Morgengrauen von Bernhard kommt, unwillkürlich musste Theresa über Alice lächeln.
Nach nun eineinhalb Jahren Pilgerfahrt kannte man sich gegenseitig sehr genau, nichts blieb verborgen, schon gar nicht ein so auf Liebesspiel angelegtes Verhältnis wie das zwischen Alice und Bernhard. Das braune Tuch, das Alice um Kopf, Gesicht, Hals und Schultern geschlungen hatte, verriet mehr, als wenn Alice offen durch das Lager gegangen wäre, um vielleicht christliche armenische oder syrische Händler aufzusuchen und irgendetwas Essbares für viel zu teures Geld zu kaufen.
Getratscht wurde doch nur über Peter, den
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