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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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und sichtbar wurde ein großer, schimmernder, in Gold gefasster Bernstein.
    Bernhard starrte einen Augenblick auf den Ring. Dann nahm er ihn mit gleichgültiger Miene.
    »Der Ring ist nicht viel wert«, sagte er leichthin. »Bernstein gibt es an der Ostsee mehr als genug. Die Fassung vielleicht ist kostbar, kommt auf den Goldgehalt an.«
    »Marie hatte den Ring von dem Grafen, der ihr Weihnachten die Unschuld genommen hat.«
    Bernhard erschrak bei dem Wort ›Graf‹.
    Er trat zu einer Lampe und ließ Licht auf den Ring scheinen. Der Stein entfaltete seine Pracht. Im Inneren der Fassung aber waren Worte auf Latein eingraviert:
    ›In ewiger Treue, Gertrude‹.
    Ihm wurde schwindelig und gleichzeitig dachte er, nur vor diesem Jungen keine Schwäche zeigen.
    Wie er diesen Ring kannte, sogar von Kindesbeinen an. Bernhard konnte sich nicht entsinnen, seine Mutter jemals ohne den Ring gesehen zu haben. Beim Abschied aber hatte sie das Kleinod ihrem Gatten auf die Pilgerfahrt mitgegeben, damit er sich ewig an sein Treuegelöbnis erinnerte.
    Bernhard warf lässig, wie spielend, den Ring einmal hoch, fing ihn auf und umschloss ihn mit seiner Hand.
    »Der Ring gehört mir.«
    Bernhard merkte, wie zweideutig diese Worte waren. Wusste Kaspar, dass der Verführer seiner Schwester Bernhards Vater war? Hatte Kaspar ihn deswegen ausgesucht, um ihn zu demütigen, vielleicht zu erpressen?
    »Aber Herr!«, entgegnete Kaspar zaghaft.
    »Mir«, wiederholte Bernhard. »Ich glaube dir immer noch nicht, dass du mir nicht mindestens einen Hund gestohlen hast. Ja, mach nicht ein so erschrockenes Gesicht. Und außerdem, auch wenn das nicht der Fall sein sollte, so bist du mir etwas dafür schuldig, dass ich dich ernähre, kleide, du hier wohnen darfst und ich dich überhaupt am Leben erhalte.
    Also vergiss den Ring und hole einen Priester, damit er jedenfalls noch einige Gebete spricht und für ihr Seelenheil bittet. Ich vermute, deine Schwester hat die Letzte Ölung nicht empfangen.«
    Kaspar schüttelte den Kopf.
    »Die Fürbittgebete bezahle ich auch. Also los. Lauf. Sorge dafür, dass sie hier wegkommt.«
    Die Tür schlug hinter Kaspar zu.
    Bernhard war allein. Allein mit dem Leichnam des Mädchens, an dem sein Vater sich versündigt hatte.
    Sein Vater Otto hatte den Hochzeitsring seiner Frau einer Hure geschenkt! Wenn Bernhards Mutter davon erführe, könnte er mit nichts auf der Welt ihre Achtung wiedergewinnen.
    Gerade sie, die ihr Leben Jesus Christus weihen und Nonne werden wollte, würde ihrem Mann den Ehebruch nimmermehr vergeben. Sie weigerte sich schon als Kind, überhaupt zu heiraten. Ihre Eltern nahmen diesen Wunsch nicht ernst, belächelten ihn, sie war als Erbtochter zu umworben, als dass der Weg ins Kloster führen könnte. Die Wahl der Eltern fiel auf Graf Otto von Baerheim, dessen Besitztümer bis auf eine Exklave in Niederlothringen an die eigenen grenzten. Dass die Braut gerade eben erst ihren zwölften Geburtstag gefeiert hatte und der Bräutigam bereits 34 Jahre zählte, fiel als Hinderungsgrund ohnehin nicht ins Gewicht.
    Bernhard sah sich noch als kleinen Jungen in der Küche stehen, wie das Gesinde beim Hühnchenrupfen und Gemüseputzen hinter vorgehaltener Hand tuschelte:
    ›Sie hat sich geweigert. Noch am Abend vor der Hochzeit drohte sie fortzulaufen und Schutz in einem nahen Kloster zu suchen. Ihr Vater hat sie in ihrer Kammer einsperren lassen. Durch Bitten und Betteln hat ihre Kinderfrau heimlich die Tür geöffnet. Doch ihr Vater hat Verdacht geschöpft. Zur Strafe und um ihren Gehorsam zu erzwingen, hat er seine Tochter, in einem Sack eng verschnürt, die Nacht vor ihrer Hochzeit auf dem kalten Steinboden des Verlieses liegen lassen. Erst kurz bevor der Bräutigam sie holte, um sie auf dem Brautlauf in seine Burg zu führen, hat man Eure Mutter aus dem Sack gelassen, ihr in Windeseile schöne Kleider angezogen, das Haar geflochten und es mit Geschmeide geschmückt.
    Nach dieser Nacht schien ihr Wille gebrochen. Sie gab ihr Jawort.
    Aber als die Familien um das Brautbett standen und Graf Otto sich anschickte, die Ehe mit seiner jungen Braut zu vollziehen, da richtete sie sich hoheitsvoll auf und sprach:
    ›Als Entgelt dafür, dass Ihr, mein Gemahl, mir mein Heiligstes, mein Mädchentum, nehmt, legt einen Eid ab bei dem Ring, den Ihr mir geschenkt habt. Ihr müsst mir ewige Treue schwören, wie auch ich Euch ewige Treue gelobt habe.‹
    Bernhard empfand immer ein schreckenvolles Kribbeln, wenn die

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