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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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Fürstentum Edessa durchsetzen wollte, aber ich fand es trotzdem grausam. Ich fürchte mich vor ihm.«
    Der kleine Hanno war nun aufgewacht, wollte von Alice’ Arm herunter, sie setzte ihn ins Gras, wo er herumkrabbelte und unermüdlich aufzustehen versuchte.
    Alice hatte die Beine angewinkelt und zupfte nervös Grashalme.
    »Balduin überlistet nicht nur seine Feinde und stellt ihnen einen Hinterhalt, sondern er verrät auch seine Freunde, wenn sie ihm nicht mehr nützlich sind.«
    »Er hat Bernhard verraten?«, fragte Martin zweifelnd.
    »Nein, das nicht. Aber Bernhard war ihm ja auch nützlich.«
    »Ich meine auch vor allem die Armenier. Du hast vielleicht bemerkt, dass sich Balduin in Nikäa mit einem Armenier angefreundet hat, der ihn in die armenischen Verhältnisse einweihte. Als nun Bagrat, so hieß er, das leiseste Missvergnügen äußerte, Balduin wolle die Macht in Edessa an sich reißen, ließ er ihn gefangen nehmen und foltern. Bagrat konnte zwar entkommen und ist zu seinem Bruder Kogh Vasil geflüchtet, was übrigens ›der Räuber‹ bedeutet, aber …«
    »Niemand verlasse sich auf einen Freund«, unterbrach Martin ihren Redefluss.
    »Wie?«, fragte Alice.
    »Steht schon in der Bibel«, ergänzte er.
    Verunsichert saugte Alice an einem Zuckerrohr und blickte nachdenklich zu ihrem Sohn, der freudig angekrabbelt kam. Sie fasste sich und nahm den Kleinen auf den Schoß.
    »Am hinterhältigsten hat sich Balduin gegenüber Thoros, dem Fürsten von Edessa, verhalten. Balduin hatte von Thoros einen Brief bekommen, das war Anfang Februar vor einem Jahr, in dem Thoros Balduin bat, Edessa vor den Türken zu retten. Am 20. Februar ritt Balduin in Edessa ein mit seinen wenigen Rittern und wurde jubelnd von der Bevölkerung begrüßt und sogar von Thoros, der selbst keinen Sohn und Erben hatte, noch am Tag seiner Ankunft adoptiert. Das ist übrigens ein ulkiges Verfahren. Der Adoptivvater steigt mit dem Adoptivsohn in ein großes Gewand und dann reiben sie die nackte Brust aneinander. Dieselbe Zeremonie geschah mit der Fürstin. Aber nur 14 Tage später rebellierte die Bevölkerung von Edessa gegen Thoros, ob mit Balduins Einverständnis, wird sich wohl nie klären lassen. Jedenfalls flüchtete sich Thoros in die Zitadelle, flehte seine eigene Bevölkerung um freien Abzug an, den man ihm nicht gewährte. Thoros versuchte darauf zu fliehen und wurde, wie es heißt, auf der Straße von den Einwohnern von Edessa in Stücke gerissen. Das geschah am 9. März, also kurz nach Balduins Ankunft in Edessa. Balduin jedenfalls hat ihm nicht geholfen, vielleicht den ganzen Aufstand angezettelt, jedenfalls geduldet. Das Ergebnis war, Balduin ist Fürst von Edessa und unumschränkter Machthaber, obwohl eigentlich Edessa zu Byzanz gehört. Seinen Kaiser Alexios gegebenen Eid hat er auch gebrochen.«
    »Wie Bohemund«, ergänzte Martin.
    »Ja«, stimmte Alice ihm zu. »Das war dem Adel von Edessa auch nicht recht, dass nun ein Franke sie regierte, daher der Aufstand im Dezember.«
    »Wie denkt denn Bernhard über diese Ereignisse?«
    »Ganz anders. Weißt du, Thoros war bei den Armeniern verhasst, weil er hohe Steuern verlangte und dem Titel nach ein Staatsbeamter vom byzantinischen Kaiser war, und die Byzantiner sind bei den Armeniern genauso verhasst wie die Türken.
    Dazu war Thoros noch orthodoxen Glaubens. Ist schon komisch, uns Katholiken verzeihen sie alle Irrlehren, wie sie meinen, Thoros aber verabscheuten sie deswegen. Vor allem aber warfen sie ihm Unfähigkeit vor, seine Untertanen vor türkischen Überfällen zu schützen. Ständig wurde die armenische Bevölkerung von den Türken bedroht, ihre Felder verwüstet und ihre Herden gestohlen, sie selbst ausgeraubt und bisweilen auch tributpflichtig gemacht. Die drei Söhne meiner Kinderfrau sind hinterrücks bei ihrer Feldarbeit ermordet worden. Damit hat Balduin bereits bei seiner Ankunft ein Ende gemacht. Er hat Festungen der Türken erobert und darüber hinaus ihre Dienste mit Geld erkauft. Dem Emir von Samosata hat Balduin sogar sein Emirat abgekauft und ihn selbst lehnspflichtig gemacht, was ihm die Christen übel nehmen. Sie werfen ihm vor, dass er sich, um das Land zu schützen, mit Moslems verbündet. Die große Katastrophe für die Armenier wäre aber hereingebrochen, als Kerbogha, der Emir von Mossul, Edessa drei Wochen belagerte. Ohne Balduin und die christlichen Ritter wäre die einheimische Bevölkerung rettungslos verloren gewesen, denn die Armenier sind

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