Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
alles Reiten und alles besänftigende Zuflüstern nützte nichts mehr. Emeline schalt mich denn auch aus, ich solle dafür sorgen, dass das Kind aufhöre zu schreien. Durch den Lärm würden noch die Türken angelockt. Da sind Bernhard und ich hinter den anderen zurückgeblieben. Ich habe Hanno gestillt und gewickelt. Das dauert ziemlich lange, bis du die Bänder losgemacht, das Kind gesäubert, eingeölt und massiert und wieder neue saubere Binden um den Kleinen gewickelt hast. Und dann«, Alice wurde rot, »waren ja auch die Wochen der Enthaltsamkeit nach der Geburt vorbei und Bernhard und ich waren endlich einmal allein. Jedenfalls, wir wollten die anderen abends, wenn sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, wieder einholen.
Als wir am späten Nachmittag durch das Wäldchen ritten, es so merkwürdig schwül und still war, da war mir seltsam ängstlich zumute. Auch Bernhard erging es so und er flüsterte mir zu:
Hoffentlich kein Hinterhalt. Er gab mir seinen Schild als Deckung für unseren Sohn.
Dann erreichten wir die Lichtung. Das Gras, das Gestrüpp voller Blut, die Leichname, die Köpfe überall verstreut. Kein einziger der Männer hat den Überfall überlebt.
Auch Emelines Kammerfrau haben sie den Kopf abgeschlagen.
Von Emeline selbst, der Ehefrau Fulberts, gab es keine Spur.
Wir überlegten, ob wir ein großes Grab ausheben und die Toten beerdigen sollten.
Plötzlich kam Kaspar aus dem Gebüsch gesprungen, in dem er sich verborgen gehalten hatte. Ihm war als Einzigem die Flucht gelungen. Er sagte, Emeline von Bouillon sei von den Türken verschleppt worden. Später habe ich erfahren, dass sie zwangsverheiratet wurde mit einem Seldschuken. Die Ärmste, vielleicht musste sie den Mörder ihres Mannes heiraten.
Da habe sogar ich es noch besser, obwohl ich nicht verheiratet bin.«
»Erging es dir in Edessa denn so schlimm?«
»Nein, eigentlich nicht. Ich habe auf der Burg in Edessa gelebt und durfte am höfischen Leben teilnehmen.«
»Wie denn das?«
»Ja, natürlich, das war nicht ganz einfach und war dann doch ganz einfach.
Bernhard und ich haben uns auf dem Ritt nach Edessa überlegt, wie ich bei Hofe eingeführt werden könnte, obwohl ich nicht adelig bin. Bernhard kann sehr unkonventionell sein, wenn er seine Wünsche durchsetzen will und seine Adelsprivilegien nicht berührt sind.
Du weißt vielleicht, dass Balduin bald nach dem Tod seiner ersten Frau mit großem Pomp eine armenische Prinzessin geheiratet hat. Die Armenier waren so begeistert von ihm, weil er im Süden von Edessa zwei Städte erobert hatte, dass Tafroc, der reich an Burgen und Geld ist, Balduin seine Tochter als Frau angeboten hat, sofern Balduin ihn gegen die Türken verteidigt und seine Besitzungen schützt. Da sie einzige Erbtochter ist, hat Balduin natürlich sofort zugesagt, wenn nicht von ihm überhaupt der Vorschlag kam. Ohne dass die Prinzessin zuvor ihrem zukünftigen Ehemann begegnete, geschweige denn gefragt worden wäre, hat sie am Traualtar zum ersten Mal in Balduins Gesicht geblickt. Aber das habe ich alles erst später erfahren. Bernhard meinte sehr schlau, da ich die Gesellschafterin von Balduins erster Frau Godvere gewesen sei und diese zum französischen Hochadel gehört habe, könne die zweite Ehefrau mich nicht ablehnen, ohne das Andenken an Godvere di Tosni zu verletzen. Eine kluge zweite Ehefrau werde immer die verstorbene erste in Ehren halten. Die Tote könne ihr schließlich nicht schädlich werden, es sei denn, ihr Andenken werde irgendwie geschmäht. Das war auch der Prinzessin bewusst und so hat sie mich freundlich bei Hofe aufgenommen und ich bin auch ihre Gesellschafterin geworden.
Außerdem herrscht Balduin, und niemand, aber auch niemand wagt etwas gegen seine Forderungen einzuwenden. Wenn er also befiehlt, weil er mit Bernhard befreundet ist, dass ich mit Ehrerbietung zu behandeln sei, so geschieht das. Außerdem bin ich eine Fränkin, so heißen wir dort alle, gleichgültig, woher wir tatsächlich kommen, ob aus Lothringen oder Aquitanien oder aus Bayern, und Franken werden immer den Armeniern vorgezogen.«
»Und was war so unheimlich?«, fragte Martin.
»Die Armenier mit den abgeschlagenen Füßen und Händen. Balduin hat einen gegen ihn gerichteten Aufstand aufgedeckt und noch am selben Tag den höchsten Adeligen Edessas vom Henker die Füße und Hände abhacken lassen. Das war im Dezember und ich konnte es zwar verstehen, dass er unmissverständlich seinen Herrschaftsanspruch auf das
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