Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
schlechte Kämpfer. Bernhard meint, Balduin und seine Ritter und auch er, Bernhard selber, hätten Edessa gegen die Türken verteidigt und beschützt, sie hätten immer ihr Leben gewagt und deswegen stehe ihnen auch die Herrschaft zu. Das stimmt ja auch, Bernhard war laufend fort, in zahlreiche Kämpfe verwickelt, und ich hatte immerzu Angst um ihn und dachte, wie sinnlos, hier in Edessa zu sterben und nicht nach Jerusalem zu ziehen.«
»Nun, Jerusalem wird ein christliches Land im Norden gut gebrauchen können«, gab Martin zu bedenken. »Sogar der Weg zwischen Edessa und Antiochia ist für Christen frei und ungefährlich geworden.«
»Ja, natürlich, aber Bernhard war ständig weg, immer kampfbereit, immer in Lebensgefahr, wurde auch gut von Balduin bezahlt für seine Dienste. Und ich war allein in dieser Burg oder fühlte mich allein. Das war aber nicht das Schlimmste, es überkam mich, je länger wir in Edessa blieben, immer häufiger die Angst, dass meinem Sohn etwas passiert. Das war so um Weihnachten herum, eine ganz schreckliche Zeit.«
»Du meinst, dass ihn jemand töten wollte.«
»Ja – nein, wie soll ich das sagen? Am Anfang, so Ende September, lief alles gut an. Ich wurde ja Gesellschafterin bei der Prinzessin. Das klingt glanzvoll und ich war neugierig auf das Leben bei Hofe und Bernhard schenkte mir wunderschöne Kleider, obwohl er zu dem Zeitpunkt gar nicht viel Geld hatte. Es gab auch Feste zu unserem Empfang, wundervolle Feste, denn Balduin liebt den Luxus und die Pracht.
Aber schon sehr bald habe ich festgestellt, dass ein heimliches Leiden am Hofe ist. Die junge Ehefrau wurde nicht schwanger und Balduin gab ihr die Schuld. Am Anfang tat die Prinzessin mir leid, ich sah, wie sie litt. Einmal war ich dabei, wie sie wieder ihre, du weißt schon, bekam. Sie wurde ganz blass, fing an zu weinen und lief aus dem Raum. Überall war ein Raunen in der Burg und Balduin hatte besonders schlechte Laune. Ich fand, dass er sehr grob und unhöflich zu seiner Gemahlin war, obwohl er doch zu Frauen so überaus gewinnend und charmant sein kann.
Eines Tages fragte mich die Prinzessin, ich mühte mich gerade ab, ein Kissen zu besticken, weil sie eine Künstlerin ist und die schönsten Muster entwirft und von mir als Hofdame erwartete, dass ich gut Nadelarbeiten ausführen kann, sie fragte mich also, wie ich es denn geschafft hätte, einen Sohn von Bernhard zu empfangen.
Ich hätte mich fast in den Finger gestochen. Natürlich wusste jeder am Hof, dass Hanno Bernhards Sohn ist, man sieht es ja sogar, finde ich, aber wir sind nicht als Paar aufgetreten, wohnten in ganz verschiedenen Räumen und trafen uns nur heimlich. Sie aber wollte vor allem wissen, was man machen muss, damit es ein Sohn wird. Was sollte ich darauf antworten? Ich selber habe damals fest daran geglaubt, dass, wenn Mann und Frau stark sind und sich lieben, es ein Junge wird. Aber das als Ratschlag und Regel? Außerdem waren die Prinzessin und Balduin nicht in Liebe miteinander verbunden. Ich glaube, sie hat ihn gefürchtet und verabscheut und er hat sie verachtet, je länger sie nicht schwanger wurde. In ihr wuchs die Angst, er würde sie verstoßen und die Ehe auflösen.
Doch mein Mitleid verwandelte sich in Sorge und Bedrückung, als ich merkte, wie sehr sie mich um meinen Sohn beneidete und auch ein Auge auf Bernhard geworfen hatte. Sie ist nicht richtig treu, weißt du, obwohl sie nichts macht, weil sie ja von Balduin ein Kind bekommen muss. Aber trotzdem. Blicke sagen ja auch viel.«
Alice räusperte sich.
»Dass ich Angst um unseren Hanno hatte, das fing scheinbar ganz harmlos an. Die Prinzessin bemerkte eines Tages, mein Haar sähe immer so zerwühlt aus, als sei ich gerade aus dem Bett gestiegen. Sie empfahl mir deswegen, es mit Öl einzureiben, sie zwang es mir geradezu auf. Es war wie ein Befehl.
Bernhard hat nur ein Wort dazu gesagt: ›Scheußlich‹. Er ist auch den Abend nicht zu mir gekommen, um mir die Haare zu kämmen. Er hat mich überhaupt erst wieder angesehen, als ich dieses ganze Ölzeug aus meinen Haaren rausgewaschen hatte und sie so widerspenstig abstanden, wie er es liebt.
Beunruhigend war es dann, wie oft sie betonte, Hanno sähe krank aus. Etwas stimme mit seiner Atmung nicht. Ich fand, er sah ganz gesund aus. Aber andererseits die feuchten, klammen Räume in der Burg. Es war Winter. Auch die Kamine heizten die Kammer, in der er schlief, nicht richtig. Eigentlich war Hanno fast immer bei mir, schlief mit mir in
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