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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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mutiger Stimme: »Auf nach Jerusalem!«

Durch die serbischen Wälder bis zum Marmara-Meer, Herbst 1096
    Essensausgabe. Es stockte, es ging nicht weiter. Ein Murren durchzog die Reihe von Menschen, die sich im Dämmerlicht auf der Straße nach Sterniz die Beine in den Bauch standen. Unüberschaubar war diese Menschenschlange. Alice hatte keine Vorstellung, wie weit vorne sich der Herzog von Bouillon mit seinem Bruder Balduin befand. Sie fühlte nur den Eisentopf in ihrer Hand, der langsam ihre Finger erfrieren ließ, sie hatte schon den Ärmel um den Henkel gewickelt. Warum ging es bloß nicht weiter? Es war unangenehm, hier zu stehen, auch unheimlich. Wälder – nichts als Wälder und das seit Tagen. Und im Hintergrund das Balkangebirge. Darin sollten Geister wohnen, vielleicht Kobolde und Zwerge, auf jeden Fall aber Luchse und Wölfe. Und dieser Schnee. Schneematsch auf dieser Straße, dreckig und vor allem nass. Alice spürte, trotz der hölzernen Trippen, die sie sich um ihre flachen Schuhe gebunden hatte, war das Leder durchnässt. Sie bräuchte unbedingt neue Schuhe. Die Nase war auch schon ganz dicht. Alice hielt sich ein Nasenloch zu, wandte sich etwas seitwärts und rotzte die schleimige Masse aus. Ekelhaft war das. Zu Hause war sie, wenn sie sich krank fühlte, im Bett geblieben, hatte Tee von Kamille ans weiche Lager gebracht bekommen und Tücher, in die sie hineinschnupfen konnte.
    Alice seufzte.
    Warum also ging es nicht weiter? Das Brot ist ausgegangen, hörte Alice durch die Menge rufen. Das Brot, orientalisches Fladenbrot. Hoffentlich waren nicht wieder kleine Steine mit eingebacken wie neulich. Der Vater hatte mit seinem kranken Zahn auf so ein Steinchen gebissen und hatte vor Schmerz aufgeheult. Zu Hause hatte Martin immer das Mehl für seine Mutter sieben müssen und sie, Alice, hatte ihm dabei geholfen. Das sah Martha zwar nicht gerne, da auch Karl für seine Tochter nicht die Arbeit einer Magd wünschte. Aber sie selber fand die gemeinsame Küchenarbeit mit Martin viel lustiger als das lästige Bestreben, sich die Zeit vertreiben zu müssen.
    Martin. Wo der wohl jetzt steckte? Er war nicht zurückgekommen. Ihr Vater war also tatsächlich Betrügern aufgesessen oder die Kaufleute waren überfallen worden. Alice schüttelte sich, an diesen Schmerz, an dieses sich ausbreitende Entsetzen, das mit der Erkenntnis verbunden war, dass alles Geld verloren war, daran mochte Alice nicht denken – und auch nicht an den Geldbeutel, den sie nun wieder deutlich unter ihren Röcken fühlte. Stattdessen hörte sie den Frauen hinter sich zu. Vom Backen war die Rede, von Katzenbrot und Lebkuchen und vom Weckmann. Und nun fiel es Alice wieder ein. Bald war Nikolaustag, das ihr liebste Fest im Kirchenjahr.
    Am Nikolaustag durchströmte der Duft von süßen Backwaren das Haus, es hing in allen Gassen Passaus die Verheißung auf jene Naschereien, deren Geschmack von den beiden Frauen heraufbeschworen wurde. Geschenke gab es. Sie selbst hatte den Kranken und Bedürftigen im Spital beim Stift St. Nikola Gebäck gebracht. Oder sie war zu den Hütten der Armen in der Vorstadt gegangen, hatte an die niedrigen Türen geklopft und wurde dankbar hineingelassen. Kalt war es hier. Durch die Wände aus Flechtwerk zog es immer eisig. Alice schlang dann ihr wollenes Tuch noch fester um die schmalen Schultern. Scheu sah sie sich jedes Mal in dem einzigen Raum um, in dem so eine Familie zusammen hauste. Es gab keinen Stuhl und Alice wurde stets freundlich gebeten, sich auf die Bank zu setzen, unter der auf dem Lehmfußboden die Hühner hockten. Sie fand es selber ein bisschen albern, aber sie hatte dann die Füße hochgezogen, damit die Hühner mit ihrem Schnabel sie nicht in die Wade pickten.
    Wehmütig dachte sie nun daran zurück. Ihre Zehen waren eiskalt und schon fast ganz steif und juckten von den Frostbeulen.
    »Wir sollten den Byzantinern eins aufs Maul hauen«, hörte sie den Mann vor sich sagen. »Holen uns ins Land, damit wir die Türken schlagen, und lassen uns verhungern.« Er warf einen bösen Blick auf die byzantinischen Soldaten am Wegesrand, die eingetroffen waren, sobald sie die serbischen Wälder erreicht hatten. Angeblich, um die Kreuzfahrer zu unterstützen, tatsächlich, um sie zu bewachen.
    »Sind doch alles Feiglinge. 30.000 Mann hatten sie bei Mantzikert und lassen sich von ein paar Seldschuken schlagen.«
    »›Seldschurken‹ meinst du. Na, die sollen uns in die Hände kommen. Wir sind die wahren

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