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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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helfen, jedoch kein Arzt. Wie ich trotz dieser Dunkelheit festgestellt habe, sind nicht nur deine Beine gebrochen, sondern gleichfalls die Schulter und die Hüfte. Es wäre zwecklos, die Beine geradezuziehen und zu schienen. Du würdest dennoch nicht laufen können.«
    Alice stöhnte bei diesen Worten laut auf.
    »Ich werde mir morgen bei Tageslicht die Verletzungen noch einmal ansehen, mein Sohn.Was macht übrigens der Zahn? Mach einmal deinen Mund auf. Ah, er ist gezogen worden.
    – Von wem? Von einem Juden? Lass noch einmal sehen … Gute Arbeit!
    Hat er dich betäubt? – Mit Schlafmohn? Ein gefährliches Mittel. Du weißt, dass man daran sterben kann, wenn man zu viel einatmet.« Er, der Mönchsarzt, gebe es niemals den Kranken, die Gefahr sei zu groß, dass man nicht wieder aufwache.
    »Ich jedenfalls darf und will am Tod eines Menschen nicht schuld sein.
    Du aber, mein Sohn, musst eine schwere Sünde begangen haben, dass Gott dich so sichtbar straft. Schon bei Jesus Sirach steht: ›Nur wer vor seinem Schöpfer sündigt, wird in die Hände des Arztes überliefert.‹ Dir aber kann nicht einmal ein Arzt helfen.«
    Sünde. Mit zitternden Lippen ließ Alice den Rosenkranz durch ihre Hände gleiten und bat um Vergebung der Schuld. Ja, sie war es, die gesündigt hatte. Weinend bereute sie ihr frevelhaftes Tun, das doch ein Unterlassen war. Sie war verlogen und scheinheilig gewesen. Wie eine glühende Geißel brannte der Geldbeutel unter ihrem Gewand, rot lagen Reue und Angst auf ihrem Gesicht, während sie die allmählich im feinen Regen verglimmenden Feuer im Lager sah. Ja, sie hätte ihrem Vater von dem Geld erzählen müssen, statt diesem gottlosen, verruchten Mann zu gehorchen, der vielleicht der Satan selber war. So etwas hatte der Ritter doch angedeutet. Sicher hätte ihr Vater niemals geplündert, hätte er von dem Geld gewusst. Plündern, das verstieß gegen seine Kaufmannsehre, er hatte es sich immer zugute gehalten, ehrlich und verlässlich seine Geschäfte abzuwickeln. Wie groß musste seine Not gewesen sein, wie übermütig sein Gefühl, endlich von der Plage seines faulen Zahns befreit zu sein, in dem der Zahnkobold erbarmungslos gehämmert und gepocht hatte.
    Wie grausam wurde sie bestraft. Alice hatte schon eine Kostprobe ihres zukünftigen Dienens erhalten, sie hatte den Vater, der sich nicht mehr selber bewegen konnte, waschen und mit den für anderes gedachten Tüchern wickeln müssen. Es war eine furchtbare Prozedur, für sie und für ihren Vater, der nun stöhnend und leidend neben ihr lag und auch nicht schlafen konnte.
    Der Vater verlangte zu trinken. Alice erhob sich, ging in den hinteren Teil des Wagens und schöpfte Wein mit einer Kelle aus einem Krug. Schwer war es, den wimmernden Mann aufzurichten und ihn zu halten. Alice war verzweifelt. Wie sollte es weitergehen – und das ohne Pferd? So viel aus Passau mitgebrachtes Geld besaßen sie nicht mehr, als dass Alice es hätte für ein Pferd ausgeben mögen. Es sei denn, sie nähme das Geld des Abtes, wozu sie sich nicht entschließen konnte. Sie könnte allerdings den Ritter von Baerheim bitten, ihr eines bis Konstantinopel zu leihen.
    Wenn nur Martin mit Rab wiederkäme! Irgendwann, aber er war noch gar nicht lange fort. Sie seufzte und ergriff ihres Vaters Hand.
    »Alice, wir müssen es als Prüfung annehmen. Vielleicht hat mir Gott in seiner Gnade diese Verletzungen geschickt. Während der vielen Stunden, die ich niedergeschlagen in der Lagerhalle lag, habe ich gebetet und nachgedacht. Gott hat mir dieses Leiden auferlegt, damit ich mich im Glauben bewähre, meine Sünden bekenne und bereue und so eines Tages doch ins Paradies eintreten darf.«
    Er schwieg und Alice sah die Tränen, die ihm über das Gesicht bis zum Mund liefen.
    »Nur, es schmerzt so sehr. Und die Vorstellung, nie wieder laufen zu können, entsetzt mich. Und dies auf dem Kreuzzug.«
    »Vater, es wird schon wieder. Unser Herr Jesus Christus wird uns helfen. Ich bete auch schon fleißig zur Mutter Maria«, sagte sie mit sanfter Stimme und fühlte sich verlogen. In diesem Augenblick verachtete Alice ihren Vater und gleichzeitig bezichtigte sie sich des Hochmuts. Es war schon richtig gewesen, dass der Ritter von Baerheim sie gestern mit Blicken zurechtgewiesen hatte, als sie ihrem Vater Vorwürfe machte.
    Vorsichtig, um ihm nicht noch mehr Schmerzen zu bereiten, hüllte sie ihren Vater in eine Wolldecke. Sie selbst versuchte zu schlafen, schüttelte wieder und wieder

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