Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
ohne Deckung, gib deine Blößen nicht frei. Gehe fließend von einer Hut in die andere. Benutze niemals eine tiefe Deckung. Achte auf deine Beinarbeit. Vor allem: Besinne dich recht: Du bestimmst den Kampf, nicht dein Gegner. Schwertkampf ist der Tanz des Todes.‹
Martin wollte dem Traum entfliehen, doch der andere, Bernhard, griff mit der linken Hand nach Martins Klinge, kreuzte mit dem Schwert Martins Parierstange, bog dessen Arm nach hinten, sodass er vor Schmerz sein Schwert fallen ließ. Gellend begann Bernhard zu lachen.
»He, Martin! Wovon hast du geträumt? Wach auf!« Markus schüttelte ihn.
»Du, Sohn eines Fürsten, wach auf. Bischof Adhémar schickt nach dir.«
»Was ist denn los?« Martin setzte sich auf.
»Unsere Patrouille hat zwei als Christen verkleidete Türken erwischt, die Kilidj Arslan nach Nikäa geschickt hat. Bei der unbesetzten Südseite haben sie versucht, sich durchzuschleichen. Den einen haben unsere Leute sofort erschlagen. Den anderen aber haben sie zu den Heerführern gebracht. Und unter Tränen und Bitten und dem Versprechen, er begehre nichts so sehr wie die Taufe, er wolle Christ werden, hat er verraten, dass Sultan Kilidj Arslan seine Streitigkeiten im Osten beendet und im Eiltempo sein Heer bis kurz vor Nikäa gebracht hat.«
Markus starrte zu den dunklen, bewaldeten Höhen hinauf, die wie ein schwarzer Würgegriff das Lager umschlossen.
»Morgen um die dritte Tagesstunde wird der Sultan uns angreifen. Der Gefangene beteuerte, dass er die Wahrheit sage, sonst solle man ihn morgen um die dritte Stunde töten.«
»Morgen schon«, sagte Martin. »Und warum weckst du mich deshalb?«
»Graf Raimond von Toulouse trödelt mit seinem Heer immer noch in Konstantinopel oder so herum. Du sollst ihm ausrichten, wenn er nicht sofort zu uns nach Nikäa kommt, dann sind wir alle verloren. Dann greift uns der Sultan von den Hügeln her an und die große Garnison von Nikäa macht einen Ausfall. Und dann gnade uns Gott.«
Martin bekreuzigte sich.
Also, auf! Zurück, zurück durch die Schlucht und den Wald Drakon. Mitten in der Nacht. Vorbei an den Toten, den Schädeln und Skeletten. Allein.
Aber das hatte er ja gewollt. Sich bewähren als Ritter.
Morgen ist die Schlacht. Morgen wird Kilidj Arslan uns mit Tausenden seiner Krieger angreifen. Morgen werden wir siegen oder genauso abgeschlachtet werden wie die Menschen des Armenkreuzzuges.
Wieso erschien Martin das so unwirklich?
Martin empfand unbändigen Stolz und genoss seinen ersten Ritt in Waffen durch die Nacht. Er trug sein Kettenhemd und freute sich, dass Rab das ungewohnte Gewicht gar nicht zu bemerken schien.
Glücklich beugte sich Martin zu Rab und streichelte ihn aufmunternd am Hals, und das mit Handschuhen!
Zusammengesetzt aus unzähligen kleinen Stücken, damit sie biegsam waren, als trüge er keine, so kunstvoll zusammengenäht, dass nirgends eine Naht zu fühlen war und drückte, aber gleichzeitig so fest, dass ein Schwertschlag kaum hindurchginge. Nur die Sporen hatte er weggelassen. Rab fühlte auch so jede kleinste Anspannung, jeden Wunsch, jeden Befehl.
Martin richtete sich hoch auf und stand in seinen Steigbügeln: Wichtig war er, tatsächlich wichtig. Er hätte jubeln mögen.
Doch das Hochgefühl kippte sofort wieder um. Sie waren wirklich in Gefahr. Wenn es ihm nicht gelänge, Graf Raimond mit seinem Heer rechtzeitig vor der Schlacht nach Nikäa zu bringen, dann würden die Ritter und Fußsoldaten des Herzogs von Bouillon, Robert von Flanderns und Bohemunds niedergemetzelt, so tapfer sie auch kämpften.
Wie konnte Graf Raimond von Toulouse sie alle im Stich lassen und bis in den Mai hinein beim Kaiser in Konstantinopel bleiben, obwohl er genau wusste, dass die Belagerung von Nikäa schon begonnen hatte und sein Heer, das sogar das größte war, dringend benötigt wurde. Diese Eitelkeit. Dabei nutzlos. Denn zum Oberbefehlshaber hatte ihn der Kaiser nicht ernannt.
Beeilen musste Martin sich. Hetzen, rasen, galoppieren.
Die Dunkelheit setzte dem schnellen Lauf natürliche Grenzen.
Martin begann sich aufzuregen. Wenn Sultan Kilidj Arslan tatsächlich sein ganzes Heer gegen sie aufbrächte, dann wären sie sogar mit Raimonds Fußsoldaten und seinen Rittern zahlenmäßig weit unterlegen. Und Kilidj Arslan hatte allen Grund, siegen zu wollen, denn er, der ein sehr vornehmer Herr sein sollte, hatte all seine Schätze in Nikäa zurückgelassen, bevor er zum Streit mit den Danischmandiden in den Osten
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