Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
abbrechen und durch die Nacht ziehen könnte, um vor seinem Angriff in Nikäa zu sein, damit rechnete der Sultan natürlich nicht.
Martin hatte endlich das Gebirge erreicht. Er orientierte sich an den eisernen Kreuzen, die Herzog Gottfried hatte aufstellen lassen als Wegweiser für Pilger und für die nachrückenden Heere. Erleichtert wurde sein Ritt durch die Nacht, weil Herzog Gottfried bei ihrem Durchzug 3.000 Männer, bewaffnet mit Äxten und Schwertern, vorausgeschickt hatte, die den Weg von Buschwerk und Bäumen befreiten und für das große Heer erweiterten und gangbar machten.
Martin fürchtete deshalb nicht so sehr, Rab könnte sich die Beine brechen, als dass er selbst aus dem Hinterhalt abgeschossen würde.
Wenn irgendwo Späher ihm auflauern und ihn angreifen würden, dann hier auf dem breiten, vom Mond beschienenen Weg. Für Martin aber war es zwar möglich, im schnellen Trab den Wald zu durchqueren, aber er war sich bewusst, er bildete eine herausfordernde Zielscheibe. Er selbst aber konnte nichts und niemanden erkennen, der sich hinter dem Buschwerk und den Felsen verbarg.
Martin spannte all seine Sinne an, er fühlte, dass er in dieser Wildnis nicht allein war, dass irgendwo ein Kundschafter Kilidj Arslans lauerte. Galopp, er müsste diesem Mann entkommen! Galopp, nur durch hier! Nein, verbesserte Martin sich. Wenn tatsächlich ein Späher ihn gesehen hätte, dann würde er dem Sultan Bericht erstatten, dass die Christen etwas Ungewöhnliches beabsichtigten. Kilidj Arslan würde vermuten, dass seine eigenen Boten vor Nikäa von den Christen entdeckt worden wären, in diesem Falle aber würde Kilidj Arslan nicht länger warten, sondern sofort angreifen.
Also, nicht entkommen durfte Martin dem Späher, vielmehr im Gegenteil, er musste ihn finden und töten. Da er aber selbst den Späher nicht sehen konnte, der sich wohl am Wegesrand versteckt hielt, wollte er von ihm entdeckt werden.
Martin ritt langsam. Schritt. Wenn nur nicht ein Pfeil Rab trifft, hoffte, betete er. Nur nicht Rab. Dann wären sie verloren, wären wir alle verloren, denn niemals könnte er rechtzeitig den Grafen Raimond benachrichtigen. Sollte er nicht besser im Galopp durch die Schlucht reiten? Martin presste seine Füße fest in Rabs Leib. Galopp, nur durch hier!, betete er.
Martin hörte den Pfeil. Blitzschnell duckte er sich, beugte sich nach links.
Der Pfeil sauste an ihm vorbei. Galopp, weiter! Ein Pfeil traf Martin im Rücken, die Wucht des Aufpralls drückte ihn nach vorn. Doch der Pfeil mit einer unsagbar scharfen Spitze blieb im Kettenhemd hängen.
Der nächste Pfeil konnte tödlich sein.
Also ins Gebüsch und Dickicht hinein und den Mann ergreifen? Unmöglich, ihn dort zu fassen. Der andere war im Vorteil, er sah Martin, der ihn aber nicht. Dazu war der Mann womöglich schneller, weil ohne Rüstung. Es war zwecklos, ihn zu suchen. Vielmehr müsste er dessen Pferd finden, bevor dieser es erreichte, und ihn dort fassen und kämpfen.
Nur, wo war dieses Pferd? Irgendwo im Wald versteckt. Martin lauschte, er hörte nichts. Jetzt abgeschossen – und er wäre tot.
Rab kam ihm überraschend zu Hilfe. Er hatte die Stute gewittert. Martin wich vom Weg ab und bahnte sich seinen Weg durch das Unterholz, bis er eine Lichtung erreichte, auf der er das Pferd des Spähers fand.
Er sprang ab, blieb regungslos stehen und horchte angestrengt. Ein Knacken im Gebüsch. Mit erhobenem Schwert sprang der Späher auf Martin zu. Ein großer, kräftiger Mann. Wie den Kampf beherrschen? Die Klingen der Gegner trafen sich. Unmöglich, den Türken an einer seiner Blößen ernstlich zu verwunden, denn auch er trug eine Rüstung.
›Schlag ihm auf die Hände, füge ihm tiefe Wunden zu!‹ Bernhards Worte hallten in ihm wider. Töte ihn!
Martin löste sich aus der Bindung der Schwerter, indem er mit der kurzen Schneide nach dem Gesicht des Gegners schlug. Der andere duckte sich blitzschnell und zielte unter Martins Schwert hindurch nach dessen Achseln. Martin wich zurück, stolperte. Ein gezielter eisenharter Schlag entriss Martin sein Schwert. Das also war sein Ende. Das war das Ende des Pilgerheeres nach Jerusalem. In seiner Verzweiflung sprang Martin auf den Mann zu, um ihn zu würgen. Der lachte und holte aus zu einem Fußtritt, mehr war dieser Schwächling in seinen Augen nicht wert. Entschlossen packte Martin das Bein des Angreifers, riss es mit all seiner Kraft zu sich. Der andere verlor das Gleichgewicht und schlug rückwärts
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