Die Pilgerin
spielte Rudolf von Starrheim seinen Rang aus und versorgte die Gruppe mit Reittieren. Ihr Führer war darüber nicht sonderlich glücklich, denn er hatte wenigstens den Weg bis Puente la Reina wie ein büßender Pilger zurücklegen wollen. Der Hinweis auf Renatas fortgeschrittene Schwangerschaft und die Gefahr, dass sie unterwegs gebären könnte, brachte ihn dann aber doch dazu, sich Starrheims Willen zu beugen.
Während Renata in eine bequeme Pferdesänfte gesetzt wurde, standen für die anderen Frauen sanfte Maultiere und für die Männer Pferde bereit. Vater Thomas wählte für sich ebenfalls ein Maultier, bestand aber unterwegs darauf, dass seine Gruppe mit Ausnahme der Schwangeren sowohl den Rabanalpass, wie auch den von Puerto San Adrian und Santa Cristina in Demut zu Fuß bewältigten.
Als sie nach einer Reise von fünfundzwanzig Tagen Puente la Reina erreichten, war die Zeit des ersten Abschieds gekommen. Ambros und Anna würden in dieser Stadt bleiben, um unter dem Schutz des Abtes zu leben und zu wirken. Es war ihnen anzusehen, dass ihnen dieser Entschluss nicht leicht fiel, doch die frommen Brüder des Klosters machten sie mit mehreren Deutschen bekannt, die sich ebenfalls hier angesiedelt hatten, und so fiel ihnen der Abschied leichter.
Tilla und die anderen hielten sich noch eine ganze Woche beiihnen auf, um sich für die Übersteigung der Pyrenäen zu stärken, doch als es ans Scheiden ging, atmete Peter tief durch und sah die anderen traurig an.
»Wärt ihr Renata und mir böse, wenn wir noch eine Weile hierbleiben würden?«, fragte er. »Renata könnte hier unser Kind zur Welt bringen und ihre Schwester zur Gevatterin bitten. Auch würde es den beiden leichter werden, wenn sie nicht so überstürzt Abschied nehmen müssten.«
Sebastian legte dem kleinen Mann, der sich auf dem langen Weg als guter Freund erwiesen hatte, die Hand auf die Schulter und lächelte, obwohl er es bedauerte, den weiteren Weg auch ohne ihn und Renata zurücklegen zu müssen. »Natürlich nehmen wir dir diesen Entschluss nicht übel! Ich würde genauso handeln wie du. Pass auf Renata auf und kommt gut nach Hause. Ich weiß ja, wo du lebst, und werde von Zeit zu Zeit nachschauen, wie es euch geht. Wir werden sicher noch den einen oder anderen Humpen zusammen leeren.«
»Das tun wir gewiss!« In Peters Augen erschienen Tränen und er klammerte sich an den jungen Mann, den er während des größten Teils der Pilgerreise für einen unverantwortlichen Burschen gehalten hatte. Dann umarmte er Tilla und die anderen. Sprechen konnte er nicht mehr, da ihm die Stimme versagte. Auch Renata schloss die Freunde nacheinander in die Arme und weinte. Sosehr sie sich freute, noch ein paar Monate mit ihrer Schwester verbringen zu können, sosehr bedauerte sie es, die Gruppe verlassen zu müssen.
Vater Thomas wandte sich mit einer heftigen Bewegung an Sebastian und Starrheim. »Verzeiht mir, doch diese beiden Menschen brauchen mich nötiger als ihr, denn ihr seid das Reisen gewohnt. Ich werde bei ihnen bleiben und sie in die Heimat führen.«
Diese Entscheidung war für die anderen ein Schock, denn siehatten ihn stets als ihren Führer angesehen und fühlten sich mit einem Mal allein gelassen und schutzlos. Dieter wirkte so entsetzt, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen, und er schien zu schwanken, ob er bei Vater Thomas bleiben oder weiterreisen solle. Als Tilla ihm vorschlug, ebenfalls auf Peter und Renata zu warten, entschied er sich sichtlich erleichtert, ihrem Rat zu folgen.
Sepp aber schüttelte den Kopf. »Ich verehre Euch sehr, hochwürdiger Vater, doch mein Platz ist an der Seite meines Herrn. Graf Rudolf hat mir die Möglichkeit geboten, ein neues Leben zu beginnen, und ich will ihn nicht gleich zu Anfang enttäuschen.«
»Das sollst du auch nicht.« Vater Thomas tätschelte die Wange des untersetzten Mannes und scheuchte dann diejenigen, die zurückbleiben wollten, in das Häuschen, welches der Abt Ambros und Anna als Wohnstatt zugewiesen hatte.
»Und ihr«, rief er Tilla und den anderen zu, »macht jetzt, dass ihr weiterkommt! Es liegt heute noch ein langer Weg vor euch. Wenn ich nach Ulm zurückkehre, werde ich den frommen Brüdern im Münster mitteilen, wo ihr mich finden könnt. Es würde mich freuen, euch einmal wiederzusehen.«
»Wir werden kommen«, versprach Tilla nachdrücklich und reichte ihm zum Abschied die Hand.
»Ganz gewiss!«, stimmte Sebastian ihr zu.
Auch die Übrigen versprachen dem
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