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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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Schwemmland, es war wie eine Sucht: Er wollte, dass das Land zwischen den Flüssen seine Heimat würde. Sein Reich.
    Die Bewirtschaftung der Pflanzungen übertrug er mehreren Verwaltern, die verantwortliche Leitung hatte er selber inne. Das erforderte viel Zeit. Sein Freund Oliver Roscoe hatte dafür wenig Verständnis. Er hielt es nie lange aus auf Hollow Park, die meiste Zeit verbrachte er in der Stadt, wo er in verschwenderischem Luxus lebte. Auch nachdem Charles Town an die Briten fiel, ließ Roscoe sich nicht davon abhalten, die notorischen Spielhöllen aufzusuchen. Selbst auf die Gefahr hin, als Milizoffizier von den Besatzern kassiert zu werden, sorgte er durch seine Eskapaden unablässig für Gerede.
    Nun wusste Reed, wie wichtig es für ihn war, dass die Leute sich nicht in Mutmaßungen über seine Lebensführung ergingen. Wohlweislich gab er sich den Anschein seriöser Zurückhaltung, damit man ihn auf Hollow Park in Ruhe ließ. Durch Roscoes exponiertes Auftreten aber drohte auch sein eigener Ruf Schaden zu nehmen. Um also nicht in Schwierigkeiten zu geraten, stellte er seinen Freund vor die Wahl, entweder sein Verhalten von Grund auf zu ändern, was auch hieße, sich am Erwerb seines Lebensunterhalts zu beteiligen, oder seine Sachen zu packen und zu gehen. Roscoe entschied sich überraschendfür beides: Der Krieg war gerade zu Ende gegangen, da nahm er eine Stellung in London an und begab sich mit wehenden Fahnen nach England.
    Reed war erst einmal erleichtert, denn die Unterhaltung seines vergnügungssüchtigen Freundes war auf die Dauer anstrengend geworden. Es ging ihm eine Zeit lang richtig gut, nachdem Roscoe fort war. Seine Geisteskrankheit entwickelte sich in langen Zyklen, und in einer anhaltend ausgeglichenen Phase gelang es ihm, über mehrere Monate die Oberhand zu behalten und mit gelegentlichen Absencen auch ohne Beistand fertigzuwerden.
    Dann verstärkte die Krankheit ihren Zugriff, Reed wurde ruhelos, nervös, aggressiv. Irgendwann war sein Zustand so labil, dass er nicht mehr riskieren konnte, unter Menschen zu gehen. Jetzt merkte er, wie abhängig er von seinem Freund Roscoe geworden war. Er vermisste nicht nur seine Begleitung, er vermisste die Gegenwart seines Gefährten und sehnte sich nach ihm mit einer Intensität, die seine Perspektive verschob: Roscoe war nicht länger Ursache, sondern Ziel seiner Sehnsucht, was in Reeds Fall ein verhängnisvoller Unterschied war.
    Er schrieb seinem Freund nach London, dass er zurückkommen solle. Den Brief verband er mit einer Geldanweisung auf seine Londoner Bank, damit Roscoe alle Ausgaben in der teuren Stadt begleichen und heimkommen könnte. Lange wartete er auf eine Antwort. Aber außer der Nachricht, dass die Bankanweisung an Roscoe ausgezahlt worden sei, erfolgte keine Reaktion auf sein Schreiben. Auch weitere Briefe blieben unbeantwortet. Reed war außer sich, wütend, ratlos, verzweifelt, zuletzt panisch. Er konnte nichts tun, als immer wieder zu schreiben und auf Antwort zu hoffen.
    Während die Wochen vergingen, spürte er, wie der Irrsinn die Hand nach ihm ausstreckte. Zuletzt schloss er sich im Keller seines Hauses ein. Nur sein Leibdiener Castor blieb in der Nähe. Reed erlitt eine schwere Bewusstseinstrübung. In Anfällen vonRaserei warf er sich gegen die Wände des fensterlosen Raumes, bis er ohnmächtig zusammenbrach. Castor band ihn an Händen und Füßen, damit er sich nicht mehr verletzte, sondern nur noch knurrend am Boden wälzen konnte wie ein gefangenes Tier, so lange, bis der aggressive Schub vorüber war. Danach fiel er in tagelange Apathie, vegetierte ohne Sinn für Ort und Zeit dahin. Nach zwei Wochen erst lockerte sich der Griff um sein gequältes Hirn und entließ ihn aus der Dunkelheit.
    Von nun an verließ er Hollow Park nur noch selten. Er lebte in ständiger Furcht vor dem nächsten Krankheitsschub, der ihn möglicherweise in völlige Umnachtung stoßen würde. Obwohl er seit Monaten keine Zeile von Roscoe erhalten hatte, hoffte er doch immer, sein Freund würde zu ihm zurückkommen und ihn aus der erstickenden Einsamkeit erlösen. Oft war er verzweifelt, und er war gefährlicher denn je.
    Er trank aus und stellte das leere Glas aufs Fensterbrett. Draußen auf dem Boden der Veranda sah er den Ausschnitt des erleuchteten Fensters, darin die dunkle Gestalt eines Mannes im Gitterwerk der Fenstersprossen. Der Anblick seines gefangenen Schattens weckte in ihm Erbitterung. Ja, sie würden ihn einkerkern, wenn sie ihm

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